Musik:Trost in dunklen Zeiten

Musik: Mit seinem unnachahmlichen Gitarrenspiel begeistert Pepe Romero im Wolf-Ferrari-Haus die Zuhörer.

Mit seinem unnachahmlichen Gitarrenspiel begeistert Pepe Romero im Wolf-Ferrari-Haus die Zuhörer.

(Foto: Claus Schunk)

Pepe Romero eröffnet das 4. Ottobrunner Gitarrenfestival mit einem umjubelten Konzert. Im Anschluss spricht der 84-jährige Großmeister vor dem Publikum über sein Leben und die "allmächtige Mutter Musik"

Von Julian Carlos Betz, Ottobrunn

Wer sich selbst einmal an der Gitarre versucht hat oder sogar über längere Zeit Fähigkeiten auf diesem Instrument erworben hat, kann nicht anders, als diesen Großmeister des intensiven Spiels zum Maß aller Dinge zu erklären. Und auch wer keine Ahnung hat von den Schwierigkeiten, denen man bei dem Versuch, schnelle Akkordfolgen und feine Druckabstimmungen auf den Saiten zu erreichen als Spieler unweigerlich begegnet, muss von der sinnlichen Komplexität seines musikalischen Vortrags schlichtweg überwältigt sein.

Pepe Romero, Spanier im vollen Sinne des Wortes, nicht nur mit Fingertalent und Einfühlungsvermögen, sondern auch mit einem kräftigen Charme begabt, beantwortet nach dem ausführlichen Konzert im Wolf-Ferrari-Haus in Ottobrunn bei einem Meet-the-Artist-Gespräch humorvoll Fragen über sich und seine Vergangenheit. Dabei erklärt sich wenigstens ansatzweise, wenn auch nur rückwirkend, die vollkommen selbstvergessene Spielfähigkeit des in den späten Fünfzigerjahren aus dem noch von Franco geprägten Spanien in die USA emigrierten Ausnahmemusikers.

Sein Heim sei trotz der dunklen und schweren Zeit seiner Kindheit angefüllt mit guten Erinnerungen, sagt er und verweist auf die Künstler, mit denen er damals Umgang gehabt habe. Sein Vater, Celedonio Romero, war ebenfalls Gitarrist und komponierte unter anderem das an diesem Abend gespielte letzte Stück "Suite Andaluza", nach dem die Zuhörer in wilde Begeisterung ausbrechen.

Pepe Romero zeigt jedenfalls die ganze Bandbreite seiner klanglichen Palette, indem er in der ersten Hälfte noch recht zurückhaltend im Korsett einiger Tanzsätze von Bach und Schubert, einem Walzer von Brahms, drei Stücken von Schumann und schließlich einem Thema und Variationen aus der "Zauberflöte" von Ferdinand Sor das Publikum auf sein hohes Niveau einspielt. All diese sind wiederum von seinem Vater Celedonio transkribiert worden, wirken dabei natürlich und ohne technische Unschärfen, sodass man sie glatt für originale Gitarrenstücke halten könnte.

Die Hand des erfahrenen Musikers streicht dabei mal zärtlich und nachfühlend über die Saiten, schlägt dann wieder mit selbstbewusst in die spanische Gefühlswelt hineinreichender Verve eine unterbrechende Akkordserie und verliert sich anschließend mit erzählerisch-fliegendem Tonfall in leise und langsam sich aufbauenden Klangfolgen. Es fällt schwer, einzelne Stücke dieses außergewöhnlichen Abends besonders hervorzuheben. Eindringlich sind bereits die kontrapunktischen Melodien Bachs, an denen Romero sich diszipliniert entlangbewegt, doch auch der Walzer von Brahms bleibt unmittelbar im Ohr erhalten und täuscht darüber hinweg, dass es sich eigentlich um einen vierhändigen Klavierwalzer handelt. Oder die drei deutschen Tänze von Schubert, die sich wie eine Romanze ausnehmen und durch Romeros Interpretation stellenweise sogar an das berühmte Harry-Lime-Thema von Anton Karas auf der Zither erinnern.

Doch erst in der zweiten Hälfte scheint Romero dann zur eigentlichen Demonstration seines Talents überzugehen. Die andalusische Wärme, von der in dieser Hälfte so viel zu hören ist, wird durch ihn mit mehr als lebendiger, energischer Geste transportiert, sodass es bisweilen wirkt, als könne er die Grenzen seines eigenen Instruments überschreiten, um mit einem Flageolett den gehauchten Klang aus einer Flöte zu imitieren. Von tiefer Versenkung in Johann Kaspar Mertz ungarischer Fantasie, bis zu Turinas "Fantasia Sevillana", in der Romero die herkömmliche Erwartungshaltung an spanische Gitarrenmusik mit scharfen, dynamischen Tango-Anklängen bedient.

Und dann der Abschluss mit Celedonio Romeros andalusischer Suite: die beiden letzten Sätze, Zapateado und Fantasia, mit dumpfen Schlägen auf den Korpus und Klopfen mit den Fingernägeln auf die Zarge, weit oben am Hals der Gitarre nur angespielten Tönen, ein interferierendes Muster aus ländlicher Harmonie und gleichzeitiger Klarheit der musikalischen Erzählung, die dem romantisch verklärten Duktus eine Note von später Erkenntnis beimengt. Pepe Romero bezeichnet die Musik im anschließenden Gespräch schließlich als allmächtige Mutter, die in ebenjenen dunklen Zeiten, "when things fall apart", den Kindern ein Trost sein soll. Ihm selbst ist sie es gewesen und kann es bis heute auch anderen sein.

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