Münchner Umland:Wie Pendler aus dem Umland zu Fahrradpendlern werden

Fahrradfahren in München ist manchmal kompliziert - und gefährlich, wie die aktuelle Unfallstatistik der Polizei zeigt.

Neben, zwischen, hinter Autos: Für Radler ist die Fahrt nach München nicht attraktiv.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Die Infrastruktur für Fahrradpendler aus dem Münchner Umland ist schlecht.
  • Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club wollte von den Parteien wissen, welche Rolle der Radverkehr in ihren Mobilitätskonzepten spielt.
  • Viele sprechen sich für ein einheitliches Gesetz in Bayern aus - die CSU allerdings ist dagegen.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Wer aus dem Landkreis München zur Arbeit in die Stadt fährt, nimmt meist das Auto. 70 Prozent, so der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC), stellen sich lieber in den Stau als etwa das Rad zu nutzen. Dabei sei die Hälfte aller Pendlerwege auf dem Land kürzer als zehn Kilometer und damit schnell, kostengünstig und umweltfreundlich mit dem Fahrrad zu bewältigen. Der Grund, warum das viele trotzdem nicht tun, liegt für den ADFC auf der Hand: Die Infrastruktur ist für Radfahrer einfach viel zu unattraktiv. Es fehlen Radwege, vor allem schnelle Verbindungen und Abstellplätze.

Auch die Fahrradmitnahme in überfüllten Bahnen oder gar in Bussen funktioniert nicht wirklich. Für eine systematische Radverkehrsförderung fordert der Klub daher ein Radgesetz für Bayern. "Manche Gemeinden sind sehr aktiv, bei anderen klappt es nicht. Das sieht man oft an den Gemeindegrenzen", sagte Martin Glas, Vorsitzender des ADFC-Kreisverbands München, bei einer Podiumsdiskussion in Unterhaching. Der Fahrradklub hatte Politiker verschiedener Parteien ins Kubiz geladen, um vor der Landtagswahl herauszufinden, welche Rolle der Radverkehr in ihren Mobilitätskonzepten für die Region spielt.

Die Zuhörer, die trotz starken Regens überwiegend mit dem Fahrrad gekommen waren, konnten eine engagierte Diskussion verfolgen, in der zwar deutlich wurde, dass Grüne und SPD sich klar für ein einheitliches Radgesetz für Bayern aussprechen, während die CSU es weiterhin den Kommunen selbst überlassen will, ob und wie der Radverkehr gefördert wird. Allerdings waren alle Podiumsteilnehmer, darunter auch Vertreter von FDP und Freien Wählern, sichtlich bemüht, gemeinsam Lösungen für eine Verbesserung der Radinfrastruktur zu entwickeln.

Ganz klare Vorstellungen, was auf diesem Gebiet passieren muss, hat Markus Büchler, Bezirksvorsitzender der Grünen und Landtagskandidat für den südlichen Landkreis München. Er sagte: "Es fehlt an Grundsätzlichem. Gemeinden müssen auf gemeinsame Standards gebracht werden." Dazu brauche man Regeln, die in einem Radgesetz dargestellt würden. "Wir können nicht darauf warten, dass die 2000 Kommunen in Bayern etwas machen." Bisher fehle die politische Unterstützung, die Mittel für den Radverkehr seien homöopathische Dosen im Vergleich zu den Investitionen in den Straßenbau. "Wir brauchen einen Quantensprung", sagte er und forderte, dass der Freistaat - wie das Land Nordrhein-Westfalen - die Baulastträgerschaft für Radschnellwege übernimmt.

Auch in der Gemeinde Unterhaching sieht man das so. Dritte Bürgermeisterin Christine Helming (Grüne), die das Grußwort des kurzfristig verhinderten Bürgermeisters Wolfgang Panzer (SPD) vortrug, sagte: "Radgesetz: ja! Wir brauchen klare Regeln für die Infrastruktur. Es muss einen ganzheitlichen Ansatz geben."

Die CSU-Landtagsabgeordnete und bayerische Sozialministerin Kerstin Schreyer fand, es sei schon viel für den Radverkehr gemacht worden, räumte aber ein: "Ja, wir können besser werden." Ein neues Gesetz hält sie jedoch nicht für notwendig. Je höher die Ebene, desto länger dauere es, ist sie überzeugt und plädierte daher dafür, den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur weiterhin bei den Kommunen zu belassen. "Es gibt sehr viele Kommunen, die sich sehr engagieren", sagte Schreyer. Sie wünschte sich besseres gegenseitiges Verständnis aller Verkehrsteilnehmer und sprach sich als Familienministerin auch dafür aus, die Schulung der Kinder zu intensivieren und es nicht bei der Fahrradprüfung in der Grundschule zu belassen.

Annette Ganssmüller-Maluche, stellvertretende Landrätin und SPD-Kandidatin für den Landtag, beklagte, dass die Umsetzung von Beschlüssen für eine Verbesserung der Infrastruktur so lange dauere. "Nordrhein-Westfalen hat 50 Prozent mehr Radwege entlang der Staats- und Kreisstraßen. Da hinken wir sehr nach", sagte sie. Im Landkreis München gebe es Forschung für Luft- und Raumfahrt, "aber Studien, wie wir mit dem Radverkehr umgehen fehlen". Den Überblick habe nur der ADFC, so die SPD-Kreisrätin.

Nicht ganz einfach lässt sich wohl auch die ADFC-Forderung nach einer deutlichen Verbesserung der Fahrradmitnahme in Bus und Bahn im Großraum München umsetzen. Der FDP-Vertreter, Landratsstellvertreter Jörg Scholler, schlug vor, die Bahnsteige zu verlängern und Wagen anzuhängen, um die Mitnahmen von Rädern zu ermöglichen. Ilse Ertl, Landtagskandidatin der Freien Wähler, sprach sich für doppelstöckige Züge aus, um auch die Räder unterzubringen. "Wir müssen zudem die Queräste hinkriegen", sagte Schreyer. "Es ist es unrealistisch, in die vollen S-Bahnen auch noch Fahrräder reinzubekommen."

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