Landkreis München:Sonnwendfeuer werden immer beliebter - trotz Waldbrandgefahr

Landkreis München: Aufgepasst: Beim Sonnwendfeuer der Birker Burschen in Unterhaching, einem der ersten in dieser Saison, hatte die Feuerwehr wegen der hochsommerlichen Witterung ein wachsames Auge auf die Flammen.

Aufgepasst: Beim Sonnwendfeuer der Birker Burschen in Unterhaching, einem der ersten in dieser Saison, hatte die Feuerwehr wegen der hochsommerlichen Witterung ein wachsames Auge auf die Flammen.

(Foto: Claus Schunk)

Früher haben die Nazis das Fest für ihre ideologischen Zwecke vereinnahmt. Heute besinnen sich viele wieder auf seine ursprüngliche Tradition.

Von Iris Hilberth

Erst ein Knistern, dann lautes Knacken. In Sekundenschnelle wird es heiß. Heißer als es eh schon ist. Die ersten, die sich zu nah ans Feuer herangewagt haben, drängen zurück. Schwarze Rauchwolken umhüllen den großen Holzstoß auf der Glonner Wiese und ziehen Richtung Feld, Dieselgestank überlagert für kurze Zeit den Geruch von gegrillten Schweinenackensteaks und krossem Steckerlfisch. Dann fährt auch noch kräftiger Wind in das Sonnwendfeuer der Birker Burschen, die Flammen lodern empor, Funken sprühen. "Ja, Wahnsinn", sagt eine Frau, die mit der Radlermass ein paar Bierbänke nach außen rückt. Doch es bleibt alles Routine, die Feuerwehrleute rund um den selbst gelegten Brand sind entspannt. Trotz Wind, trotz Trockenheit haben sie den mehrere Meter hohen, brennenden Holzstoß unter Kontrolle. Es ist wie immer: Die Blaskapelle spielt, die Burschen tanzen, das Bier fließt. Unterhaching feiert Sommersonnenwende.

Dass sie diesmal besonders früh dran waren und ihr Fest schon ein paar Tage vor der kürzesten Nacht des Jahres stattfand, war allein dem Wetter geschuldet. Wer rechnet schon damit, dass gleich der erste Termin klappt? Es gibt wohl keine anderen Veranstaltungen, die an einen bestimmten Tag im Kalender gebunden sind, aber selten dann auch stattfinden, sondern häufig mehrmals verschoben oder ganz abgesagt werden. Bisher war immer der Regen daran schuld, wenn der mühsam errichtete Holzstapel wochenlang dastand wie ein begossener Pudel.

Dieses Jahr aber haben die Veranstalter von Sonnwend- und Johannifeuer ganz andere Sorgen. Die anhaltende Trockenheit und die erhöhte Waldbrandgefahr führen mancherorts zur Entscheidung, besser doch kein Feuer anzuzünden. Immerhin meldet die Regierung von Oberbayern in diesen Tagen Stufe 5, das ist der höchste Wert auf dem Index. Während man etwa in Ebersberg und am Tegernsee vorsichtshalber trotz aller Tradition das Feuermachen lieber sein lässt, ist aus dem Landkreis München noch keine Absage bekannt.

"Trockenheit ist für uns kein Problem", sagt etwa Michael Bichlmeier vom Burschenverein in Grasbrunn, der das Johannifeuer an diesem Samstag am alten Sportplatz entzünden will. Der Wald, sagt er, sei weit genug weg. Auch in Taufkirchen, wo die Freiwillige Feuerwehr selbst zum Feiern ans Sonnwendfeuer auf den Festplatz bittet, sei das kein Thema, wie Vorsitzender Wolfgang Stelz bestätigt. Mit einem kleinen Feuer begnügt man sich in Höhenkirchen-Siegertsbrunn. Hier steht die Blasmusik im Mittelpunkt, wie Erich Sepp vom Veranstalter berichtet. Die Feuerwehr zur Hilfe geholt hat bereits vorab die Kolpingfamilie in Oberhaching, die auf dem nun gut bewässerten Schlagerberg ihr Johannifeuer abbrennt.

In Österreich gibt es genaue Regeln

Anders als etwa in Österreich, wo Verordnungen das Entfachen von Brauchtumsfeuer genau regeln, gibt es solche speziellen Verordnungen hierzulande nicht. "Die Gemeinden sind als örtliche Sicherheitsbehörden zuständig", sagt Christine Spiegel, Sprecherin des Landratsamts. Gleichwohl würden die Feuerwehren häufig Bescheid geben, wenn Veranstaltungen geplant seien. "Generell aber gilt das bayerische Waldgesetz", verweist sie auf die Regelung, dass offene Feuer erlaubnisfrei nur hundert Meter vom Wald entfernt sind. Auch dürfe nur trockenes und nicht behandeltes Holz verbrannt werden.

Geruchsbelästigung und Schadstoffe in der Luft könnten also durchaus ein Thema sein, auch wenn weder Landratsamt noch das bayerische Landesamt für Umweltschutz bislang den CO₂-Ausstoß oder den Feinstaub berechnet oder gemessen haben, die von solch einem Feuer ausgehen. Das Umwelt-Bundesamt informiert über Heizen mit Holz: "Ganz ohne Emission geht es nicht. Das CO₂ wirkt dann klimaschädlich, wenn mehr Holz verbrannt wird, als nachwächst." Der Göttinger Bioklimatologe Alexander Knohl hat auf der Webseite www.co2-online.de die Rechnung aufgemacht, dass aus einer halben Tonne Kohlenstoff, die in einer Tonne Holz stecke, bei der Verbrennung etwa 1,83 Tonnen CO₂ entstehen.

Doch wie viel Holz wird bei einem Sonnwendfeuer verbrannt? In Taufkirchen, so bestätigt Feuerwehrmann Stelz, sind es 14 Festmeter, wobei ein Festmeter einem Kubikmeter entspricht, der je nach Holzart zwischen 500 und 750 Kilo wiegen kann. Zum Feinstaub gibt es laut Umweltbundesamt wenig Studien. Allerdings sprächen einige Untersuchungen dafür, "dass Feinstaub aus Kaminöfen ähnlich schädlich ist wie Dieselruß". Allerdings hat das Landgericht Coburg 2005 geurteilt, dass Hausbesitzer nicht verlangen können, dass eine Gemeinde in unmittelbarer Nähe zu seinem Anwesen kein Sonnenwendfeuer abbrennt. Sie hätten dies zu dulden, so die Richter. Es sei Ausdruck von Freude zum Sommeranfang, einer uralten Tradition entspringend. Dieses jährlich einmalige historische und kulturelle Ereignis sei von großer kommunaler Bedeutung, fand das Gericht und verwies auf ein russisches Sprichwort: "Brauchtum ist älter und gilt mehr als Gesetz."

Immerhin reicht die Verknüpfung des längsten Tags des Jahres mit der magischen Kraft des Feuers weit zurück bis in die vorchristliche Zeit, als man sich von einen Sprung über das Feuer baldige Heirat und Schutz von Dämonen versprach. Die Kirche legte dann das Hochfest der Geburt Johannes des Täufers auf den 24. Juni, weshalb vielerorts auch Johannifeuer entzündet werden, etwa in Oberhaching, wo der Pfarrer das Feuer heute noch segnet.

Die Kolpingfamilie setzt dort bewusst auf Tradition. Während andernorts neben dem Feuer der Barbetrieb läuft, soll laut Jugendbeauftragten Johannes Utz das Familiäre und gemeinsame Sitzen am Feuer im Mittelpunkt stehen. Viele Sonnwendfeier im Landkreis aber haben sich zu echten Events entwickelt oder sind in den vergangenen Jahren erst entstanden.

Symbol des Brauchtums

"Früher waren das kleine, bescheidenere Feiern", erinnert sich Unterhachings Heimatpfleger Günther Staudter an die Sechzigerjahre und das Wiederaufleben der Tradition, nachdem man in den Nachkriegsjahren von Sonnwendfeiern Abstand genommen hatte, da die Nazis dieses Fest für ihre ideologischen Zwecke vereinnahmt hatten. Die heutige Entwicklung hin zu großen, durchorganisierten Veranstaltungen geht für ihn genauso wie für Kreisheimatpfleger Alfred Tausendpfund in Ordnung. "Anlass ist noch immer das Brauchtum", sagt Staudter. "Und das ist ein Gewinn", ergänzt Tausendpfund. Schließlich sei der Landkreis München Boomregion. "Da kann man nicht so enge Maßstäbe anlegen wie im Berchtesgadener Land, wo das als Verrat gesehen werden könnte."

Ausgelassen gefeiert hat man das "Sunbentfeuer" übrigens schon im Mittelalter, was in der Stadt nicht ganz ungefährlich war und 1471 in München daher verboten wurde. Gehalten haben soll sich an das Verbot aber keiner.

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