Mobilität:Teststrecke in die Zukunft

Mobilität: Fahrzeuge, die wie das Google Car keinen menschlichen Fahrer am Steuer benötigen, könnten bald auch über den Campus rollen.

Fahrzeuge, die wie das Google Car keinen menschlichen Fahrer am Steuer benötigen, könnten bald auch über den Campus rollen.

(Foto: AP)

Auf dem Garchinger Forschungscampus sollen selbstfahrende Autos herumkurven können. Der Stadtrat ist offen für die Idee, die Universität ebenfalls.

Von Gudrun Passarge, Garching

Garching Die Universitätsstadt Garching verfügt über drei U-Bahn-Stationen, sie hat ein Atomei und einen Forschungsreaktor auf dem Forschungscampus der TU. Nun könnte sie auch noch eines der ersten Testfelder für selbstfahrende Autos bekommen. Das jedenfalls wünscht sich das Projektteam "German Innovation Lab" (GIL), dessen Sprecher Siegfried Balleis am Donnerstagabend im Stadtrat für diese Idee warb. "Garching ist das Hightech-Mekka in Bayern", sagte der Alt-Oberbürgermeister aus Erlangen. "Es gibt keinen besseren Standort im Freistaat Bayern als Garching."

Die deutsche Autoindustrie soll sich nicht abhängen lassen

Für Balleis geht es bei der Erforschung hochautomatisierter Fahrsysteme um nicht weniger als eine "Zukunftsschicksalsfrage". Er beruft sich auf zwei Gutachten aus dem Jahr 2015 von Mc Kinsey und Prognos. "Die Automobilindustrie ist die Achillesferse der bayerischen Wirtschaft", fasste Balleis deren Ergebnis zusammen.

Die deutsche Autoindustrie habe die Konkurrenten unterschätzt. Konkret sprach er vom Google-Car, "der im Prinzip nichts anderes ist als ein Smartphone auf Rädern". Die USA setze hier auf einen revolutionären Ansatz, sie habe bereits vier Testfelder, um solche Systeme zu prüfen. "Wenn wir in Deutschland nicht endlich solche Testfelder auf die Beine stellen, passiert die ganze Forschung in den USA", warnte der Alt-OB.

Dieses Thema voranzubringen ist das Ziel des GIL. Mit im Team sind außer Balleis mit Herbert Köpplinger ein Vertreter aus der Automobilbranche, und Professoren wie Uwe Baumgarten, der mit seinem TU-Informatik-Lehrstuhl in Hochbrück sitzt, und Joachim Taiber, der in South-Carolina an der Errichtung von Testfeldern mitarbeitet. Das Projektteam führte schon Gespräche mit der TU. Deren Präsident Wolfgang Herrmann sieht das Thema neben Antriebssystemen als "die wichtigste Herausforderung der Straßenverkehrstechnik" an.

Experte Balleis sieht in Garching den perfekten Standort für die Teststrecke

"Wir sind im weltweiten Wettbewerb um die besten Lösungen und deswegen ist es höchste Zeit, dass diese Thematik konzentriert angegangen wird. Unser Forschungscampus Garching hat dafür alle Kompetenzen", sagte Herrmann. Das GIL-Team hat schon mit Freistaat und Investoren verhandelt. Balleis stellt sich eine Public Private Partnership vor. "Wir sind sogenannte Geburtshelfer", sagte Köpplinger. Bisher geschehe alles auf eigene Rechnung, später soll eine Betreiberfirma gegründet werden.

Balleis erläuterte, warum Garching so ideal als Standort sei. Zum einen ist seit Herbst 2015 die Autobahn A 9 zwischen Ingolstadt und München Teststrecke für hochautomatisiertes Fahren. Zum anderen hätte die Anbindung an den TU-Campus den Vorteil, nur mit dem Freistaat als Grundeigentümer verhandeln zu müssen, der zudem "selber seine Spielregeln bestimmen kann". Der Campus eigne sich wunderbar dafür, die Autos in einem möglichst normalen "urbanen Umfeld" zu testen. Und es seien kaum Kinder auf dem Gelände unterwegs, auch das ein Vorteil. Auf den Einwand, es sei auch nicht zu wünschen, dass ein Student in einen Unfall verwickelt werde, sagte Balleis, unterstützt von Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD), dass erst über Zehnjährige die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs richtig einschätzten könnten.

Ethik und Datensicherheit sind die beiden großen Fragezeichen

Mit kühnen Strichen zeichnete der Alt-OB die Vorteile der schönen, neuen Autowelt. Neun Zehntel aller Verkehrsunfälle gingen auf menschliches Versagen zurück, das falle mit Computergesteuerten Autos weg. Auf Nachfrage von Nihan Yamak (SPD), wie es mit dem Datenschutz aussehe, räumte Balleis "zwei große Probleme" ein. Einmal die Datensicherheit vor Hackern, "da werden entsprechende Verschlüsselungen gefordert sein", zum anderen "ethische Fragestellungen". Also etwa die Frage, wem weicht das Auto aus, wenn auf einer Seite ein Kind spielt, auf der anderen drei Erwachsene stehen.

Auf die Frage, wer denn bei dem Projekt mitmache, erläuterte Balleis, dass man um BMW werbe, um Audi auch, aber Audi habe in Ingolstadt erst jüngst ein großes Areal erworben, das sie für solche Zwecke nutzen wollten. Und in Baden-Württemberg, der Daimler-Heimat, liefen ebenfalls bereits Ausschreibungen. Von Garching wünschte sich Balleis fürs Erste nur ein positives Signal und später Hilfe bei den Genehmigungsverfahren. Er rechnet damit, dass sich die Pläne in frühestens drei Jahren umsetzen ließen, immer im "intensiven Dialog mit den Bürgern".

Die Initiatoren wollen Autofirmen wie BMW oder Audi an Bord holen

Auf die Frage von Ulrike Haerendel (SPD), ob die Leute sich überhaupt so eine Technologie wünschten, brachte Balleis noch die Seniorenkarte ins Spiel. "Denken Sie an die Menschen mit 75 oder 80 Jahren", sie müssten entscheiden, ob sie noch fahren könnten. Das würde in Zukunft wegfallen, wenn das Auto das Steuer selbst übernimmt. Ebenso würde das System auch Menschen mit Behinderung neue Möglichkeiten eröffnen.

Der Stadtrat zeigte sich jedenfalls offen für die Pläne. "Wir würden uns freuen, wenn sie die neue Technik zu uns nach Garching bringen", sagte Bürgermeister Gruchmann. Und die örtliche Junge Union schreibt in einer Stellungnahme, Garching könne durch eine Teststrecke zu einem "Schlüsselstandort zukünftiger Mobilitätslösungen" werden.

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