Mitten in Grünwald:Schrilles Örtchen

Die Gemeinde Grünwald leistet sich noch eine öffentliche Toilette. Ganz so stilvoll wie in Tokio geht es dort allerdings nicht zu

Von Claudia Wessel

Eine - vielleicht typisch weibliche - Reiseerinnerung aus Tokio: In jeder U-Bahnstation gibt es eine wunderschöne, saubere, gepflegte Toilettenanlage. Die angenehme Atmosphäre wird durch Musikberieselung noch verstärkt, die angeblich aus Anti-Peinlichkeitsgründen erklingt. Auf jeden Fall sorgt dieses System für entspannte Fortbewegung in der japanischen Metropole.

Grünwald wäre nicht Grünwald, wenn es seinen Bewohnern und Besuchern nicht einen ebensolchen Service bieten würde. Wer mit der Trambahn bis zur Endhaltestelle am Derbolfinger Platz fährt, sieht ein Hinweisschild auf die öffentliche WC-Anlage in der Wilhelm-Keim-Straße, also gleich um die Ecke. Ganz so stilvoll wie in Tokio kommt diese allerdings nicht rüber, was auch einigen Gemeinderäten aufgefallen ist. Achim Zeppenfeld (SPD) beklagte bei den Haushaltsberatungen im Gemeinderat die hohen Heizkosten für die kleinen Räume, die immer zwischen 1000 und 1300 Euro pro Jahr liegen, was ja fast für ein Haus reiche. Vermutlich liege das daran, dass die Tür eben oft offenstehe, natürlich nicht ohne Grund.

Unangenehme Gerüche führte Antje Wagner von den Grünen auf das Alter der Fliesen zurück und beantragte, einen Posten für die komplette Renovierung des Örtchens in den Haushalt 2017 einzustellen. Leider werde das öffentliche WC regelmäßig renoviert, antwortete Bürgermeister Jan Neusiedl (CSU) und machte einen bekümmerten Eindruck. "Nicht umsonst haben andere Gemeinden solche Einrichtungen geschlossen", ließ er wissen. Inzwischen bestehe die Inneneinrichtung bereits durchgehend aus Edelstahl, nicht etwa weil Grünwald eben Grünwald und daher so schick sei, sondern wegen des Vandalismus. Ja, musste das Gemeindeoberhaupt zugeben, auch in Grünwald gebe es Saubären und er wolle lieber nicht ins Detail gehen, um zu beschreiben, was dem Reinigungsdienst dort alles zugemutet werde. Man habe daher auch im Haushaltsentwurf die Summe für die regelmäßig notwendige Wiederherstellung der Ordnung auf 6000 Euro verdoppelt.

Man könnte aber doch noch einen kleinen Posten hinzufügen: für Musikberieselung, die vielleicht sogar Saubären von ihrem unschönen Vorhaben ablenkt. In der Herrentoilette etwa AC/DC, bei den Damen Robbie Williams. Oder auch Musik nach Wunsch auf Knopfdruck. Damit wäre Grünwald sogar Tokio voraus.

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