Mitten in Unterhaching:Speed Reading im Sitzungssaal

Manchmal ist es egal, was man sagt, sondern zählt, wie schnell man sprechen kann

Kolumne von Iris Hilberth

Eigentlich ist es für einen erfolgreichen Politiker eine Grundvoraussetzung, die Kunst der freien Rede zu beherrschen. Wer nur vom Blatt abliest, sieht sich schnell einem wegdösenden Publikum gegenüber. Schließlich sind es ja selten spannende Geschichten, die da vorgelesen werden. Um mit dem Parteiprogramm die Zuhörer zu fesseln, braucht es schon Talent. Weniger Dröges sollte Natascha Kohnen, die Vorsitzende der Bayern-SPD, schon im Gepäck haben, wenn sie an diesem Freitagvormittag zur Unterhachinger Grundschule an der Jahnstraße aufbricht. Es ist mal wieder bundesweiter Vorlesetag, und da sind Prominente aufgerufen, öffentlich zum Buch zu greifen. Die Stiftung Lesen hat sogar eine eigene Kategorie für Rathauschefs ausgerufen: "Bürgermeister lesen vor!". Dabei werden drei Titel für "Vorlesestädte" vergeben, in den Kategorien "aktiv", "nachhaltig" und "außergewöhnlich".

In welcher Disziplin man nun dem Unterhachinger Bürgermeister Wolfgang Panzer eine Teilnahme empfehlen sollte? Fest steht jedenfalls, Panzer ist ein ausgewiesener Schnellleser. Zwar wissen wir nicht, ob er es mit der sechsmaligen Weltmeisterin im Schnelllesen Anne Jones aufnehmen kann, die 4251 Wörter in der Minute schafft und das Buch "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" in 47 Minuten gelesen hat. Der durchschnittliche Leser würde ohne Pause dafür elf Stunden brauchen, denn der Schinken hat immerhin 199 797 Wörter verteilt auf 607 Seiten. Gut, die Frau hat speziell trainiert. So wie einst John F. Kennedy, der nach der Methode von Evelyn Wood lernte, die als Begründerin des "Speed Reading" gilt. Ob Panzer ihre Technik im Schnelllesen kennt? Eine Schulung in dieser Disziplin habe er jedenfalls nicht genossen, beteuert er. Alles nur Übung. Wie schnell und ausdauernd der Bürgermeister im Speed Reading ist, hat er am Dienstag im Bauausschuss bewiesen. Die "23. Änderung des Flächennutzungsplans zur Ausweisung von Flächen für die Errichtung einer Freiflächenfotovoltaikanlage westlich der A 8" stand auf der Tagesordnung. Vorzulesen waren 58 Beschlussvorschläge. Panzer hat das in einer halben Stunde geschafft. Rekordverdächtig? Vielleicht. Nachhaltig? Eher nicht.

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