Mitten in Putzbrunn:Freizeichen für alle

Weil es in der Gemeinde immer noch Menschen ohne Handy geben soll, stimmen die Lokalpolitiker für den Erhalt der einzigen Telefonzelle, obwohl diese ein Verlustgeschäft ist

Von Stefan Galler

Eigentlich gehört sich das nicht für eine Tageszeitung. Aus gegebenem Anlass wenden wir uns heute aber trotzdem ausnahmsweise einmal direkt an Sie, liebe Leser. Und zwar mit einer Frage: Wann haben Sie zuletzt in einer Telefonzelle telefoniert? Also nicht mit dem Smartphone, das einem immer und überall zur Verfügung steht, sondern tatsächlich mit einem Apparat, den alle benutzen können, zumindest wenn sie etwas Kleingeld oder eine spezielle Geldkarte dafür haben.

Die Jüngeren werden sich jetzt fragen, was das überhaupt ist, eine Telefonzelle: Stubenarrest mit erlaubter Handynutzung? Oder etwa ein Lithium-Ionen-Akku ("Mein Handy braucht eine neue Telefonzelle")? Aber nein, es geht um das, was früher gerne als Öffentlicher Fernsprecher bezeichnet wurde. Im beschaulichen Putzbrunn erinnert vieles noch an die gute alte Zeit: Dort gibt es Bauernhöfe, große Waldflächen, am Hauptplatz eine bayerische Wirtschaft und eine Apotheke - und es gibt noch eine "öffentliche Telefonstelle" - so heißt das heute. Allerdings drohte dieser zuletzt im Gemeinderat ganz unromantisch das Aus. Die Telekom plane "die Auflösung" der Anlage, und zwar aus wirtschaftlichen Gründen. Gerade mal 14 Euro Umsatz würden im Monat gemacht, dagegen verursache der Fernsprecher 50 bis 70 Euro Kosten, berichtete Baumamtsleiter Heiko Bernhardt. Und auch wenn der Zweite Bürgermeister Eduard Fritz (CSU) anmahnte, dass "das Häuschen" genau auf dem Zugang zum Kirchenzentrum stehe und dort störend wirke, war der Kampfgeist von Rathauschef Edwin Klostermeier (SPD) bereits geweckt: "Die Telekom macht jedes Jahr Milliardengewinne, da können sie es verschmerzen, wenn sie für unsere Bürger die Grundversorgung aufrechterhalten." Er kenne alleine fünf Leute in Putzbrunn Ort, die kein Handy und auch kein Festnetz-Telefon hätten. "Die könnten ohne öffentliches Telefon nicht mal einen Notruf absetzen", so der Bürgermeister.

Und obwohl keiner der Gemeinderäte wusste, ob es sich nun um einen Münzfernsprecher oder ein Kartentelefon handelt, ob ein W-Lan-Hotspot eingebaut ist oder vielleicht sogar eine Erlebnisdusche, stimmten bis auf drei vermutlich gut vernetzte CSU-Räte alle für das Beibehalten der Anlage. Putzbrunn bleibt also bis auf weiteres in Verbindung mit der großen weiten Welt. Voll analog.

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