Mitten in Pullach:Rituale am Christbaum

Streitigkeiten über Stil und Ausschmückung erübrigen sich, wenn man einen fertig geschmückten Christbaum kauft

Von Claudia Wessel

Das Schmücken eines Christbaumes ist nicht einfach nur das Schmücken eines Christbaumes, sondern ein Ritual, das eine tiefenpsychologische Bedeutung hat. Rund um die Tanne werden quasi die Rollen in der Familie verteilt. Nehmen wir die Haushaltsvorsitzende, die darauf besteht, den Baum zu einem Gesamtkunstwerk in nur einer einzigen Farbe zu machen, beispielsweise Pink. Von der Spitze über die Kugeln bis zu den Schleifchen, womöglich gar zu den Kerzen und Glitzerketten wird alles in dieser einzigen, betont weiblichen Farbe gestaltet. Der Mann, der das zulässt, übergibt quasi die weihnachtliche Gestaltungsmacht der Dame des Hauses, vermutlich, um zu verschleiern, dass ansonsten er das Sagen haben möchte.

Oder nehmen wir diese alte, verramschte Kiste im Keller, gefüllt mit einem chaotischen Sammelsurium aus Weihnachtsschmuck aus drei Jahrzehnten. Der Herr des Hauses begibt sich alljährlich in die Tiefen von Staub und Weinkisten, um das Teil hervorzuholen. Am Heiligen Abend, nachdem er die Tanne fachmännisch aufgestellt hat, hängt er alles kreuz und quer daran auf. Geschnitzte Bierflaschen und leuchtende Fußball-Devotionalien, weiß-blaue Kerzen und blondes Engelshaar. Die Frau, die das zulässt, gibt zu erkennen, dass es Wichtigeres gibt als seinen Geschmack.

Aus all diesen tiefenpsychologischen Weihnachtsfallen bietet der Pullacher Gewerbeverband einen Ausweg. Auf seinem Christkindlmarkt am kommenden Wochenende kann man bereits geschmückte Christbäume erwerben. Mit Buntem behängt wurden sie von Kindergartenkindern der Gemeinde, die zu dieser Aktion eingeladen wurden. Am Samstag um 14 Uhr kann man die geschmückten Bäume für einen guten Zweck ersteigern und damit allen Geschmacksverirrungen innerhalb der Familie ausweichen. Eventuell kann man den Schmuck aber noch ergänzen durch Schnitzereien mit der Kettensäge, die ebenfalls in Pullach angeboten werden. Fragt sich nur, wer dabei das Sagen hat.

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