Mitten in Keferloh:Jedem Ochsen sein Esel

Gerade einmal sechs Hausesel zählt das Veterinäramt im Landkreis München noch. Dabei verfügt der graue Geselle über ungeahnte Fähigkeiten

Von Konstantin Kaip

Der Esel spielt heutzutage höchstens noch in südlichen Gefilden Europas eine tragende Rolle, wo er erst als unermüdlicher Lastenträger, dann als Rohstoff für Salami geschätzt wird. Bei uns hingegen ist das Grautier, lateinisch Equus asinus asinus, höchstens noch vereinzelt in Streichelzoos anzutreffen. Laut Veterinäramt gibt es im ganzen Landkreis München gerade einmal sechs Hausesel. In Zeiten von Hightech-Maschinen und flächendeckender Erschließung der Landschaft wird dem als störrisch geltenden Tier ein Nutzen weitgehend abgesprochen.

Daher ist es bemerkenswert, dass ausgerechnet Thomas Grupp, der Geschäftsführer der auf Hochleistung zielenden Bayern-Genetik GmbH - ein Zusammenschluss von Besamungsstationen und Zuchtverbänden-, kürzlich im Biergarten Gut Keferloh eine Lanze für das Grautier brach und eine "Revitalisierung des Esels in Bayern" forderte. Sein Ansinnen untermauerte Grupp, der für die Festtage um den Keferloher Montag eine Fleckvieh-Schau organisiert, mit einem bewegenden Erlebnis in Kenia: Dort, berichtete Grupp, habe ihn ein Massai-Häuptling dankbar umarmt, weil er so glücklich über das aus Bayern importierte Fleckvieh gewesen sei, das seiner Rinderzucht den gewünschten Erfolg beschere. Der stolze Massai wollte auch gleich zwei seiner besten Ochsen auf einer Leistungsschau präsentieren, die Grupp für seinen Exportschlager in Nairobi organisiert hatte. Die Ochsen aber, berichtete der Besamungsexperte, waren dafür viel zu stur und schlecht erzogen. Selbst wenn vier Massai am Seil zogen, bewegten sich die Tiere keinen Meter. Es habe nur eine Chance gegeben, sagte Grupp: "Ein Esel musste her."

Der wurde gefunden und bekam einen Ring um den Körper, an dem man ein Seil befestigte, dessen anderes Ende man an den Nasenring des Ochsen band. Bereits zwei Stunden später, berichtete Grupp, war der Ochse so handzahm, dass er sich von jedem problemlos an der Leine führen ließ. Den Trick habe er in Irland gelernt, wo man seit Jahren auf die edukativen Fähigkeiten des Esels schwöre. Warum das Grautier bei Rindern so eine Autorität habe, erklärte Grupp sich damit, dass "die den Esel wohl nicht riechen können". Es dürfte aber auch einiges mit seiner Street- beziehungsweise Field-Credibility zu tun haben. In Camps für schwierige Jugendliche genießen schließlich ja auch geläuterte Ganoven das größte Vertrauen.

Wenn sich die Erkenntnis über die Effizienz der Methode durchsetzt, wird es bald wieder mehr Grautöne auf unseren Feldern geben. Der Esel als Super-Nanny für schwer erziehbare Rinder könnte die Landwirtschaft verändern. Die Anekdote aus Keferloh hat aber auch eine Moral - für alle Eltern, die seufzend auf ihre scheinbar nichtsnutzigen, störrischen Teenagerkinder blicken: Jeder hat ein Talent, es muss nur entdeckt werden.

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