Mitten in Ismaning:Ein Kartoffel namens Horst

Schaut man auf die Äcker des Landkreises, wird deutlich: Es wird Zeit für eine Geschlechtsschreibreform!

Von Michael Morosow

Gäbe es einen Laufsteg für Obst und Gemüse, die Kartoffel würde keine gute Figur darauf abgeben. Ein unförmiger Klumpen mit dünner Haut und hässlichen Augen ist sie, und man muss sich wundern, dass sie sich angesichts dieses Aussehens vermehren kann. Nun gut, was Kartoffeln auf dem Feld der Liebe so alles treiben, ist nicht hinreichend bekannt. Am Ende aber werden auffälligerweise fast ausschließlich weibliche Nachkommen aus dem Mutterboden gezogen. Sieglinde heißen sie, Rosalinde, Linda, Nicola oder Heidi, was in Bayern quasi seit der Entdeckung der Knolle zu sprachlichen Irritationen führt. Hier ist die Kartoffel maskulin, und der Ayinger oder Ismaninger spricht von "da Kadoffe" (Singular) und "de Kadoffe" (Plural). Und wenn die Kartoffelbauern den Keller randvoll mit "Kadoffe" haben, schreiben sie "Kartoffel zu verkaufen" auf ein Schild, so als wäre nur noch einer zu haben.

Alle Kartoffeln tragen weibliche Namen, sieht man von den Sorten "Blauer Schwede", "Reichskanzler" und wenigen anderen ab. Damit die vielseitig verwendbare "Angela" zum Beispiel mit einem festkochenden "Horst" ein Bratkartoffelverhältnis eingehen kann, ist es deshalb an der Zeit für eine Genderisierung, wie im Bereich der Meteorologie bereits geschehen. Hier wechseln Hoch- und Tiefdruckgebiete regelmäßig das Geschlecht. Was bei Unwettern recht ist, sollte bei Kartoffeln nur billig sein. Es gibt jedenfalls kein stärkehaltiges Argument, das dagegen spräche, dem Ackerfeminismus Einhalt zu gebieten. Ein mehlig kochender "Franz" ergibt sicher auch ein geschmackvolles Pürree, und ein festkochender "Lars" einen prima Kartoffelsalat, gibt man einen Zwiebel und Knoblauch dazu.

Aber es gibt noch viel zu tun auf dem Weg zu einer ordentlichen botanischen Geschlechtsschreibreform, wie unter anderem in Ismaning zu sehen ist. Ein hiesiger Bauer, der gerade den Keller voll hat mit "Kadoffe", wirbt in den jüngsten Ismaninger Ortsnachrichten für die neueste Ernte und nennt diese trotzig "Christa, die Frühkartoffel." Bairisch korrekt wäre: "Christian, der Frühkartoffel". Die Christa würde schon nicht aus der Haut fahren.

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