Möchten Sie mit der Trambahn fahren?" Wenn man diese Frage als Antwort auf die Bestellung von "Einmal Döner" oder "Einmal Pommes, bitte" erhält, ist man erst einmal einen Moment lang verwirrt. Schließlich knurrt einem gerade der Magen und das Gehirn sendet bereits Vorfreudehormone aus, die einzig ungeklärte Frage ist noch, ob Ketchup oder Majo - verdammt, was will er mit der Trambahn? Man schaut also verständnislos in die freundlichen Augen von Vedat Yazici, der die Verwirrung erkennt und erläutert: "Wenn Sie die nächste Trambahn nehmen möchten, dann wird es knapp. Pommes dauern fünf Minuten."
Der nette Kioskbesitzer von "La Kavala" an der Trambahnhaltestelle Derbolfinger Platz in Grünwald hat Recht. Ein Blick auf die Anzeige besagt, dass die Trambahn in genau fünf Minuten abfährt. Es handelt sich um einen Konflikt, den Yazici von vielen seiner Kunden kennt. Sie haben Hunger, aber sie wollen in die Stadt. Also fragt er, um plötzlichen Stress zu vermeiden. Man muss sich nun also schnell entscheiden. Pommes oder Tram? Der Magen gewinnt die Oberhand. Pommes! Trambahn egal, soll sie doch abfahren. Schließlich gibt es hier diese netten Mini-Biertische und -bänke unterm Dach, regengeschützt. Sowieso viel angenehmer, die Pommes hier zu essen als von einem angeekelten Sitznachbarn in der Tram beäugt.
Man lässt also gemütlich mampfend die eine Trambahn fahren und weil es so schön ist, auch noch die nächste. Während man auf der Mini-Bank sitzt, erfährt man Interessantes aus dem Leben anderer Menschen. "Der Kollege von meinem Mann hat sich heute drei Finger abgehackt", erzählt eine Dame. Er wollte ein großes Stück Fleisch schneiden. Ein Metzger? Ein Herr mit Bierflasche beklagt, dass es ihn "geschmissen" hat, einige Wunden im Gesicht zeugen noch davon. Ein weiterer fragt nach dem Türkei-Urlaub von Yazici und wie er denn war. "Wunderbar", sagt dieser. Als seltsame Bemerkungen folgen wie "da darf man wohl den Mund nicht mehr aufmachen", wechselt Yazici lieber schnell das Thema: "Möchten Sie mit der Trambahn fahren?"