Mitten in Grasbrunn:Frühbucherrabatt für Kandidaten

Niemand will zu spät kommen, aus Angst, das Beste zu verpassen. Doch man könnte meinen, dass es die Grasbrunner Freien Wähler etwas übertreiben mit ihrer Weitsicht, wenn sie sich schon jetzt über ihre Liste für die Kommunalwahlen 2020 Gedanken machen

Von Lars Brunckhorst

Es ist ein Kreuz: Noch nie war das Leben so schnell und doch leben wir in der ständigen Angst, zu spät zu kommen. Die besten Karten fürs Konzert schon weg, den Zuschlag fürs ultimative Schnäppchen auf Ebay wieder mal verpasst, den Urlaub zum Spartarif nicht rechtzeitig gebucht. Dabei kommt alles immer früher. Ostereier im Januar, kaum dass die Lebkuchen, die es seit August gab, weg sind, die neue Herbstkollektion bereits im Juni, der erste Heuschnupfen im Februar. Wer einen Krippenplatz sucht, sollte sein Kind anmelden, sobald der Schwangerschaftstest positiv ausfällt, und wer im Raum München eine Wohnung sucht, am besten den Mietvertrag unterzeichnen, ehe der Vormieter gekündigt hat. Zu Kindergeburtstagen wird bereits Monate vorher eingeladen und wer nicht mindestens ebenso lange im Voraus reserviert, kriegt heute in jedem x-beliebigen Wirtshaus keinen Tisch mehr. Überall heißt es: Save the date! Es ist zum Verrücktwerden.

Zu den Menschen, die vorausdenken, gehören auch Sebastian Brunner und die Freien Wähler in Grasbrunn. Die halten nächsten Montag ihre Jahreshauptversammlung ab und auf der Tagesordnung steht vorsorglich schon mal: Vorbereitung auf die Bundestags- und Landtagswahl 2017/2018. Nun gut, das ist noch eine Weile hin, aber auch Horst Seehofer denkt heute schon an die beiden Wahljahre und daran, wie er Merkel in Berlin und Söder in Bayern verhindern kann. Was Grasbrunns Freie Wähler sich denken, wissen wir nicht, erst recht nicht, was sie sich bei ihrem anderen Tagesordnungspunkt gedacht haben: Vorschläge zur Kandidatenliste der FWG für die Bürgermeister- und Gemeinderatswahl in 2020.

Das ist, vorsichtig ausgedrückt, ambitioniert. Heutzutage weiß man ja nicht mal mehr, wer nächstes Jahr noch im Gemeinderat sitzt, so schnell legen die Leute ihre Mandate wieder nieder, weil sie wegziehen, Partei oder Partner wechseln oder den Job. Und beim Durchschnittsalter der kommunalpolitisch Aktiven - wie will man da heute wissen, wer in vier Jahren überhaupt noch da ist? Außer natürlich Peter Paul Gantzer. Der SPD-Abgeordnete sitzt schließlich auch mit 78 noch mopsfidel im Landtag.

Vielleicht folgt das Modell der FWG Grasbrunn aber auch einem weiteren Trend der Zeit. Weil sich die Bindung der Menschen an die Parteien immer stärker auflöst, wie Wahlforscher feststellen, geht es schlicht darum, sich potenzielle Mitläufer frühzeitig zu sichern, ehe diese in ihrer Sprunghaftigkeit und Prinzipienlosigkeit beim politischen Gegner anheuern. Und so fehlt nur noch ein Frühbucherrabatt für angehende Gemeinderatskandidaten: 20 Prozent auf jeden Wechselwähler, einen Fensterplatz auf der Liste und gratis Begrüßungscocktail. Also schnell. Das Angebot ist limitiert. Es sind nur noch 20 Listenplätze auf Lager.

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