Mitten in Freising:Ein Ayinger auf Abwegen

Odysseus hatte kein Navi, aber auch mit moderner Technik wird die Nachtwanderung eines Studenten zur Odyssee

Von Michael Morosow

Odysseus, griechischer Heroe im Trojanischen Krieg, war ein wackerer Kämpfer, aber sein Orientierungssinn ließ zu wünschen übrig. So kehrte der Gute erst nach einer zehnjährigen Irrfahrt und dem Verlust all seiner Begleiter nach Ithaka zurück. Wenn es zu seiner Zeit bereits Google Maps gegeben hätte, wären ihm all die wahnwitzigen Abenteuer erspart geblieben, und die Schüler müssten sich mehr als 3000 Jahre später nicht mit seiner Odyssee herumschlagen.

Auch ein 23-jähriger Student aus Aying war auf sich allein gestellt, als er am frühen Dienstagmorgen vom S-Bahnhof Freising zu Fuß seine Schlafstätte in einem Studentenwohnheim ansteuerte. Aber er hatte Google Maps auf sein Handy geladen und konnte so das Navigationssystem nach dem kürzesten Weg suchen lassen. Das war in seiner Situation durchaus eine kluge Entscheidung, weil er sich gerade in einem betörten Zustand befand, an dem freilich nicht der Gesang der Sirenen die Schuld trug.

Also machte sich der junge Mann auf den Weg, wobei er seinen Blick stets auf das Display seines Handys richtete. Wäre ihm der einäugige Riese Polyphem entgegengekommen, hätte das sechsköpfige Ungeheuer Skylla neben ihm sechs andere betrunkene Studenten verschlungen, der 23-Jährige hätte nichts gemerkt, derart konzentriert wandelte er entlang des angezeigten Weges, der zu seinem Erstaunen aber plötzlich mannshoch unter Wasser stand. Der Student war in die Moosach geplumpst. Pitschnass kletterte er zurück an Land und setzte seinen Heimweg fort, nicht wissend, dass ein zweites Abenteuer auf ihn wartete. Ob er sich wiederum auf sein Navi verließ oder die Orientierung jetzt selbst in die Hand nahm, ist nicht bekannt. Jedenfalls steuerte er nunmehr durch ein Grundstück "An der Mühle", und es ist anzunehmen, dass er wiederum nicht die gebotene Vorsicht walten ließ. Sonst hätte er den Teich bemerkt. Aber auch dieses zweite, dramatischere Abenteuer überstand der Spätheimkehrer, weil zu seinem Glück ein Anwohner seine Hilferufe hörte, ihn aus dem Teich fischte und die Polizei verständigte. Die Beamten brachten den Studenten sicher an sein Ziel, sodass dieser kein drittes Abenteuer mehr bestehen musste. Durch Freising fließt auch die Isar.

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