Sanitäter auf der Wiesn:Der jährliche Wahnsinn

Stephan Vinzenz Ismaning

Stephan Vinzenz bekommt als Sanitäter für seinen Einsatz auf der Wiesn jedes Jahr eine Einweisung. An der nehmen auch Polizei und Feuerwehr teil.

(Foto: Picasa; privat)

Stephan Vinzenz von den Johannitern erlebt auf dem Oktoberfest Unglaubliches.

Von Kevin Rodgers, Ismaning

"Was mir am Dienst auf der Wiesn Spaß macht? Gute Frage", überlegt Stephan Vinzenz und beginnt zu lachen. "Es ist schon Wahnsinn, was man da jedes Jahr erlebt." Der 38-jährige Speditionskaufmann aus Ismaning ist seit 17 Jahren ehrenamtlicher Sanitäter bei den Johannitern und arbeitet seit sieben Jahren auf dem Oktoberfest. Vinzenz steht mit seinen Kollegen und einem Rettungswagen am Rand der Theresienwiese und wartet auf den nächsten Funkspruch aus der Leitstelle. Der lässt meistens nicht lange auf sich warten.

Jedes Jahr brauchen etwa 10 000 der sechs Millionen Wiesngänger medizinische Hilfe. "Wir sehen eigentlich alles. Vom Vollrausch über Platzwunden, Schnitte, Knochenbrüche bis hin zum schweren Schädel-Hirn-Trauma", berichtet Vinzenz. Dann muss er seinen Rettungswagen mit Martinshorn und Blaulicht durch die Besuchermassen manövrieren, um zum Patienten zu kommen. Probleme bereiten ihm in solchen Situationen Betrunkene, die vor den Rettungswagen laufen oder auf die Trittbretter springen. "Es ist manchmal nicht zu fassen."

"Den typischen Wiesenpatienten gibt es nicht."

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(Foto: Lukas Barth/dpa)

Jedes Jahr bekommt Stephan Vinzenz, der überdies Zweiter Vorsitzender des TSV Ismaning ist, eine besondere Einweisung, an der neben den Sanitätern auch die Feuerwehr und die Polizei teilnimmt. Neu ist heuer die Sicherheitssituation mit dem inzwischen berühmten Zaun. An der praktischen Arbeit hat sich aber nicht viel geändert. "Es ist diesmal vergleichsweise ruhig geblieben." Arbeit gibt es trotzdem genug. Hat der Rettungswagen einen Patienten eingesammelt, geht es in eine der Münchner Kliniken.

Den Dienst auf der Theresienwiese möchte er nicht missen. "Das Oktoberfest ist mal was anderes als normal. Wir erleben hier phänomenale Sachen." Den typischen Wiesnpatienten gebe es nicht, so Vinzenz. Eine Gemeinsamkeit haben sie jedoch alle. "Die allermeisten sind schon ziemlich besoffen, wenn sie bei uns landen." In und um seinen Rettungswagen hat er schon viel erlebt. "Es passiert schon oft, dass gepöbelt und randaliert wird", erzählt Stephan Vinzenz. "Viele kennen nach ein paar Mass ihre Grenzen nicht mehr." Dennoch gibt es auch witzige Anekdoten. Vor ein paar Jahren musste er das Schäferstündchen eines Paares unsanft unterbrechen, das sich hinter den Rettungswagen zurückgezogen hatte.

Seine orangefarbene Uniform wirkt auf die Besucher offenbar anziehend und macht ihn zum Anlaufpunkt für Wiesnbesucher mit den unterschiedlichsten Anliegen. "Wir sind ja nicht nur Sanitäter, sondern auch ein Auskunftsbüro", sagt Stephan Vinzenz. "Die Leute fragen uns, wo es zum nächsten Klo, zur U-Bahn oder zu den Taxen geht." Bis um ein Uhr in der Früh geht der Dienst im Rettungswagen, denn auch wenn die Zelte längst geschlossen haben, gibt es für die Sanitäter genug zu tun. "Nach der Wiesn bist du gerädert und möchtest nur noch auf die Couch", sagt Vinzenz.

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