Maxvorstadt:Billighotel im Prachtbau

Der denkmalgeschützte Komplex an der Pappenheimstraße hat eine eindrucksvolle Geschichte hinter sich - jetzt herrschen merkwürdige Zustände im Haus.

Sebastian Krass

Der Müll scheint ein Problem zu sein in diesem Haus. In den Fluren hängen jedenfalls immer wieder Zettel, auf denen gebeten wird, "bitte keinen Müll auf dem Gang" abzustellen. Über den Mülltonnen im Eingangsportal wird die Trennung des Abfalls auf Deutsch und in fünf Fremdsprachen erklärt. Ein Bewohner hat sich offensichtlich für die Sauberkeit seines Stockwerk verantwortlich gefühlt, der Rest war ihm aber zu kompliziert. So fällt der Blick beim Betreten des Gebäudes zunächst auf eine Mülltüte neben der Eingangstür und erst dann in das pompöse Säulenportal mit den stuckverzierte Deckenbögen.

Maxvorstadt: Das Haus Pappenheimstraße , an der Ecke zur Blutenburgstraße, hat eine lange und prachtvolle Geschichte. Bis jetzt: Nun beherbergt der Bau ein Billighotel.

Das Haus Pappenheimstraße , an der Ecke zur Blutenburgstraße, hat eine lange und prachtvolle Geschichte. Bis jetzt: Nun beherbergt der Bau ein Billighotel.

(Foto: Stephan Rumpf)

Das Haus Pappenheimstraße 14, an der Ecke zur Blutenburgstraße, hat eine lange Geschichte. Aber solche Zustände, wie sie heute herrschen, wären die längste Zeit undenkbar gewesen. Erbaut wurde es 1889/1890 von Gustav Freiherr von Schacky. Anfangs war hier die Kriegsakademie beherbergt, Teil der Militärbildungsanstalten auf dem Marsfeld. 1949 wurde es zum Städtischen Krankenhaus umgebaut. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege nennt in seiner Liste der schützenswerten Gebäude als besondere Merkmale den "zweiflügeligen Mansarddachbau mit Seiten- und Eckrisaliten" und "Sichtbacksteinfassaden mit reicher Sandsteingliederung in Formen der Neurenaissance".

Inzwischen ist das Gebäude im Besitz der Deutschen Telekom gelandet, die es größtenteils vermietet hat. Im Erdgeschoss rechts ist eine Kindertagesstätte untergebracht. Die drei Etagen darüber nutzt die 2-Rent GmbH, die mit dem Slogan "Günstig in München übernachten" wirbt.

Sie betreibt dort, wo früher Artilleristen ihr Handwerk lernten, seit drei Jahren ein so genanntes Boardinghouse. Einen Ort also, wo man sich für ein paar Nächte, aber auch für ein paar Monate ein Appartment mieten kann. Er habe viele Firmenkunden, die hier Saisonarbeiter unterbrächten, sagt Alexander El Naib, der Geschäftsführer von 2-Rent. "Während der Wiesn hatten wir zum Beispiel 200 Leute von Sicherheitsdiensten da." Oft schliefen aber auch Arbeits- oder Wohnungssuchende eine Zeitlang in einem der 75 Zimmer mit insgesamt 150 Betten. "Ein Einzelzimmer mit zwölf Quadratmetern kostet 420 Euro netto pro Monat, ab drei Monaten Mietdauer", sagt El Naib. Bad und Toilette gibt es nur in Gemeinschaftsnutzung.

Viele Bewohner wollen nichts dazu sagen, wie es ihnen gefällt in der Unterkunft. Ein Mann Mitte Vierzig - seinen Namen will er nicht sagen - hat aber keine Lust zu schweigen. Eiligen Schrittes ist er das Treppenhaus heruntergekommen. Er bleibt kurz stehen, bevor er weiter muss. "Eine Zumutung ist das hier", schimpft er. Vor drei Tagen sei er in München angekommen, zufällig hier vorbeigefahren und habe sich für 30 Euro pro Nacht ein Zimmer genommen, ein Kurzzeitmieter also. Jetzt sucht er sich etwas anderes. "Die Hygiene ist eine Katastrophe. Durchs Bad müsste man mal mit einem Dampfstrahler gehen", ruft er noch.

Auf dem Männerklo im ersten Stock stehen die Fenster aus gutem Grund sperrangelweit offen. Es riecht ungefähr wie auf der öffentlichen Toilette im Untergeschoss des Marienplatzes - also so, dass man möglichst schnell wieder raus will. Auch eine halbe Stunde später hat noch niemand die Fenster geschlossen. Doch mit Lüften allein ist dem Geruch wohl nicht beizukommen. "Wir arbeiten im Low-Budget-Bereich", sagt Betreiber El Naib.

Langfristig will er sowieso nicht in der Pappenheimstraße 14 bleiben. Mit diesem Zuschnitt sei das Boardinghouse zu wenig profitabel. "Und Umbauten sind sehr kompliziert wegen des Denkmalschutzes." Es lägen im Moment auch überhaupt keine Anträge auf Umbauten vor, erklärt Dorothee Ott, Sprecherin des Landesamtes für Denkmalpflege.

Also wird wohl noch mehr Lack von den hölzernen Fensterrahmen abblättern, und die Rollläden rotten weiter vor sich hin. Denkmalschutz heißt eben nicht Renovierungspflicht. Dabei ließe sich das Gebäude theoretisch zu einem prächtigen Anwesen sanieren. Verkehrsgünstig in der Nähe des Hauptbahnhofs gelegen ist es auch. Aber danach sieht es im Moment nicht aus.

Bis auf weiteres sei "für diese Flächen eine Vermietung beziehungsweise Eigennutzung als Vermittlungsstelle geplant", erklärt das Unternehmen Corpus Sireo, das den Immobilienbesitz der Telekom verwaltet. "Es gibt keine Pläne, das Gebäude zu veräußern." Und die Antwort auf die Frage nach Sanierungsplänen fällt so gestelzt wie vage aus: "Geplante Maßnahmen zum Erhalt des Gebäudes richten sich grundsätzlich nach den Instandhaltungserfordernissen und den jeweiligen Nutzungsperspektiven." Die Perspektiven sind erst einmal trüb.

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