Maßnahmen gegen die Wohnungsnot - Teil 2:Putzbrunn nimmt Bauträger in die Pflicht

Maßnahmen gegen die Wohnungsnot - Teil 2: Putzbrunn von oben: 6585 Einwohner leben hier. Mit einer Initiative will die Gemeinde mehr sozialen Wohnbau auf den Weg bringen.

Putzbrunn von oben: 6585 Einwohner leben hier. Mit einer Initiative will die Gemeinde mehr sozialen Wohnbau auf den Weg bringen.

(Foto: Claus Schunk)

Die Gemeinde orientiert sich am Münchner Modell der Sozialen Bodennutzung und schreibt bei Neubauten künftig 30 Prozent für günstige Wohnungen vor

Von Stefan Galler, Putzbrunn

Als sich Putzbrunns Gemeinderäte zuletzt im Gremium mit diesem Thema beschäftigten, wurde schon bald klar, dass es sich hierbei um schweren Stoff handelt. Viele rechtliche, finanzielle und sozialle Aspekte schwingen mit, wenn es um bezahlbaren Wohnraum geht. Und so redeten sich die Lokalpolitiker eine knappe Stunde lang die Köpfe heiß darüber, ob und wie sie wohl am besten Voraussetzungen schaffen sollten, um einerseits den Bau erschwinglicher Wohnungen zu fördern und andererseits Bauwerber, die zwar in der Gemeinde investieren, aber hier auch im ganz großen Stil Geld verdienen wollen, an den Folgekosten ihrer Objekte für die Allgemeinheit zu beteiligen. Am Ende mit Erfolg: Eine Zwei-Drittel-Mehrheit (zwölf zu sechs Stimmen) im Putzbrunner Gemeinderat entschied sich dafür, einen Grundsatzbeschluss zur Beschaffung bezahlbaren Wohnraums zu verabschieden.

Im Mittelpunkt des Putzbrunner Beschlusses steht der Schlüsselbegriff "sozialgerechte Bodennutzung" (Sobon); ein Modell, das der Münchner Stadtrat 1994 beschloss und das auf zwei einfachen Grundprinzipien beruht. Erstens: Grundeigentümer haben sich an jenen Folgekosten ihrer Planungen zu beteiligen, die durch die Schaffung neuen Baurechts verursacht werden. Und zweitens: Wird in ein Bauprojekt investiert, muss der Investor gleichzeitig sozial geförderten Wohnraum herstellen oder zumindest die Finanzmittel dafür zur Verfügung stellen. Ein einfaches Beispiel für den Standort München: Ein Unternehmer investiert in ein Objekt drei Millionen Euro, am Ende ist das Gebäude zehn Millionen Euro mehr wert, als er hineingesteckt hat. Dann muss er aus dieser potenziellen Gewinnmarge nach dem Prinzip der Sobon folgende Zahlungen tragen: 1,2 Millionen Euro für Flächenabtretungen, 500 000 Euro für die Erschließung, 800 000 Euro für die Schaffung sozialer Infrastruktur, etwa Kindergartenplätzen. Dazu kommt eine Belastung von 2,4 Millionen für geförderten Wohnungsbau, - womit dem Investor etwa fünf Millionen Euro an Bruttogewinn bleiben - also noch immer ein stattlicher Ertrag.

In Putzbrunn versucht man nun wie im Münchner Modell, den Investor finanziell an den Folgen seiner Bauleitplanung - eingeschlossen sind alle Projekte, bei denen mehr als 500 Quadratmeter Wohnraum entsteht - zu beteiligen, und zwar zunächst auf mehrerlei Arten: Er hat alle Kosten zu tragen, die mit der Bauleitplanung zusammenhängen, also etwa Planer, Gutachter, rechtliche Beratung. Außerdem muss er die Erschließungskosten und sonstige Ausgaben, die zum Beispiel im Bereich der sozialen Infrastruktur fällig werden, übernehmen.

Dazu kommt der andere Kernpunkt des Grundsatzbeschlusses, in dem es konkret um bezahlbaren Wohnraum geht: 30 Prozent der entstehenden Geschossfläche muss der "Planungsbegünstigte", wie es im Vertragswerk heißt, für die Nutzung im sozialgebundenen Wohnungsbau verwenden; sie werden also von der Gemeinde "abgeschöpft". Angestrebt werde dabei "eine Durchmischung zwischen geförderten Miet- und Eigentumswohnungsbau (20 Prozent) und Wohnungen, die für Berechtigte mit Wohnberechtigungsschein (Sozialwohnungen, 10 Prozent) zur Verfügung stehen".

Dieses Prinzip soll das bislang in Putzbrunn praktizierte Einheimischenmodell ablösen. "Dieses Modell ist bei uns an seine Grenzen gestoßen", sagte Edwin Klostermeier (SPD) vergangene Woche auf der Bürgerversammlung der Gemeinde. "Die Objekte sind bei den aktuellen Preisen kaum mehr zu veräußern, dabei wollen wir diejenigen erreichen, die sich das sonst nicht leisten können", so der Bürgermeister. Nun geht es also darum, 30 Prozent des Volumens der Bauvorhaben in Eigentums- oder Mietwohnungen umzuwandeln, die erschwinglich sein sollen. "Wir versuchen das jetzt und schauen, ob wir damit weiterkommen", sagte der Rathauschef. Die Voraussetzungen für Einheimische, an Wohneigentum zu kommen, sollen folgende sein: Sie müssen seit fünf Jahren am Ort wohnen und dürfen nicht mehr verdienen als das Durchschnittseinkommen der Gemeinde beträgt. Laut Bürgermeister liegt dieses derzeit bei etwas über 40 000 Euro pro Jahr.

In seinem Gemeinderat schwingt einige Skepsis mit: "Investoren müssen 30 Prozent abtreten, der Rest ist so teuer, dass es sich eine normal verdienende Familie nicht leisten kann", sagte etwa Martin Adler (Freie Wähler Gemeinschaft). "Das ist zu reglementiert, dann werden die Unternehmer halt wo anders bauen." Auch der CSU-Fraktionsvorsitzende Eduard Boger äußerte sich vorsichtig: "Ist das wirklich eine Weiterentwicklung zu unserem Einheimischenmodell? Unumstritten ist, dass wir für begünstigten Wohnraum etwas tun müssen. Aber ich bin skeptisch, ob die 30-prozentige Abschöpfung genug ist." CSU-Rätin Maria Feiner stieß in ein ähnliches Horn: "Das andere Modell ist einfach transparenter. Außerdem braucht man für die Berechnung der Abschöpfung eventuell rechtlichen Beistand. Das macht es dann wieder teurer."

Klostermeier verteidigte das Sobon-Modell kämpferisch: "Das soll zunächst die Grundlage sein, um überhaupt ein geeignetes Mittel zu haben", sagte er. "Der Stadt München gelingt auf diese Weise seit Jahren die Abschöpfung. Ich bitte um Mut, das zu machen. Anpassungen können wir später immer noch vornehmen." Letztlich ließen sich einige Gemeinderäte umstimmen, etwa Walter Hois von der Gemeinschaft pro Putzbrunn (GPP): "Ich plädiere dafür", sagte er nach lang andauernder Diskussion. "Dieses Modell bietet mehr Möglichkeiten als das bisherige und wir können Bauträger am sozialen Wohnungsbau beteiligen."

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