Mammutprojekt in Unterföhring:Gefühlte Erpressung

Pläne Boardinghaus Unterföhring, Gewerbegebäude Oktavian, Münchner Straße Ecke Feringastraße

Im Unterföhringer Bürokomplex Oktavian werden bald Messebesucher und Arbeiter übernachten - in einem Boardinghaus mit bis zu 850 Betten.

(Foto: Florian Peljak)

Der Gemeinderat will ein Boardinghaus mit bis zu 850 Betten verhindern. Das Landratsamt aber sieht alle Vorgaben für das Vorhaben im Bürokomplex Oktavian erfüllt - das Gremium muss sich fügen

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Am Ende haben die Unterföhringer Kommunalpolitiker nichts anderes machen können, als zähneknirschend zuzustimmen. Nun steht der Verwirklichung eines Boardinghauses samt Kantine und einer öffentlich zugänglichen Gastronomie in zwei Türmen des dreiteiligen Bürokomplexes Oktavian am südlichen Ortseingang nichts mehr im Weg. Als Boardinghaus wird ein sogenannter Beherbergungsbetrieb etwa mit Selbstversorger-Zimmern bezeichnet.

In den beiden Bauteilen, die mit einem Übergang verbunden werden, können 576 Zimmer mit bis zu 850 Betten entstehen. Gäste dürfen sich nach Vorgaben von Gemeinde und Landratsamt dort nicht länger als für vier Wochen einmieten. Bauherr und Eigentümer ist die PG Münchner Straße GmbH aus Grünwald, die sich seit Monaten bemüht, eine Nutzungsänderung für die drei Türme zu bekommen - und nun einen Erfolg verbucht.

Unterföhring wollte das Boardinghaus aufgrund seiner Größe verhindern.

Das Landratsamt aber hatte dem Antrag im Herbst entgegen der Überzeugung der Lokalpolitiker stattgegeben, weil das Vorhaben der Firma den Vorgaben des Bebauungsplanes für das Gewerbegebiet rund um die Feringastraße entspricht. Bei dieser Rechtslage sei man verpflichtet, der Nutzungsänderung von Bürogebäuden in ein Boardinghaus zuzustimmen, hieß es aus der Kreisbehörde, wie Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Parteifreie Wählergemeinschaft, PWU) dem Gemeinderat am Donnerstagabend mitteilte.

Der Investor hätte das Projekt durchgedrückt

"Lehnen wir ab, werden wir von der Rechtsaufsicht überstimmt." Unterföhring kann also nichts ausrichten. Und was viel schwerer wiegt: Der Antragsteller habe angekündigt, nach einem Nein des Gemeinderats das Projekt ungeachtet aller seiner Forderungen durchzudrücken.

Und zwar so, wie er es ursprünglich im Sinn hatte, in noch größerer Dimension. 1560 Betten in Zimmern für bis zu vier Personen, die zwischen sechs und neun Monaten im Boardinghaus verweilen können, wie der Bürgermeister sagte.

"Da fühle ich mich erpresst", klagte CSU-Gemeinderat Josef Ebert, der sich bereits im Bauausschuss gegen das Projekt positioniert hatte und seine Ablehnung nun im Plenum wiederholte. Eine derartige Drohung könne man sich doch nicht bieten lassen.

Die Auswirkungen für andere Hotels sollen überprüft werden

Obwohl Kemmelmeyer und die anderen Gemeinderäte die Einschätzung des CSU-Mannes teilten, plädierten sie für die etwas abgespeckte Variante für die Zukunft des Oktavian-Areals. "Auch wenn das sicherlich nicht die beste Lösung ist", wie Thomas Weingärtner von der SPD sagte.

Dieses modifizierte Konzept hatte der Antragsteller in einem Gespräch mit Walter Schuster, dem Leiter der Abteilung Bauwesen im Landratsamt, abgestimmt. Demnach werden Zimmer und Betten reduziert, die Stellplätze in der bereits vorhandenen Tiefgarage von 390 auf 595 erhöht, die Freiflächen vergrößert und auch die Fassaden des wuchtigen Komplexes freundlicher gestaltet.

Darüber hinaus soll es eine Analyse geben, in der die Auswirkungen des Boardinghauses auf die bestehenden Hotels in Unterföhring und München untersucht werden. Sollten zum Beispiel die Buchungszahlen am Ort einbrechen, könne man Einfluss auf die Auslastung des Boardinghauses nehmen, sagte Lothar Kapfenberger, Chef im Bauamt des Unterföhringer Rathauses.

"Dann muss man versuchen, die Auslastung zu verringern." Der Investor aus Grünwald muss zudem sicherstellen, dass durch die Umnutzung nicht mehr Verkehr entsteht als aktuell; die Zufahrt zum Boardinghaus soll weiterhin über die Feringastraße erfolgen. Das alles hatte der Bauausschuss bereits als Auflagen gelistet, und all jene wurden nun noch einmal vom Gemeinderat festgezurrt. Unterföhring liegt bereits der vom Investor unzeichnete städtebauliche Vertrag für das Projekt vor.

Jetzt wird für das Gelände am Ortseingang ein vorhabenbezogener Bebauungsplan aufgestellt; das Verfahren dürfte nach den Worten von Kapfenberger erfahrungsgemäß zwischen neun und zwölf Monaten dauern, der Umbau der aus dem Jahr 1993 stammenden Bürotürme dann noch einmal bis zu einem Dreivierteljahr. "Ende 2018 könnte das Boardinghaus in Betrieb gehen", schätzt Kapfenberger.

Erlaubt sind auch Ärzte oder ein Fitnessstudio

Dass dieses den Herbergen in Unterföhring die Gäste abspenstig machen wird, glaubt der Bauamtschef übrigens nicht: "Es handelt sich ja nicht um ein Hotel, sondern um ein Haus mit Zimmern, die von Mitarbeitern etwa bei Messen oder zum Beispiel Film-Produktionen angemietet werden könnten."

Der dritte Oktavian-Turm wird nach dem Willen der Gemeinde von jedweder Übernachtungsnutzung freigehalten: Es soll auch nach Planung des Investors weiterhin mindestens zur Hälfte als Bürogebäude dienen, erlaubt sind aber auch Praxen für Ärzte und Physiotherapeuten, Konferenzräume, ein Fitnessstudio oder gar ein Yogazentrum. Zum Entspannen vor oder nach der Arbeit, offen für die Bewohner des Boardinghauses und alle anderen, die Zerstreuung suchen.

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