Legionellenproblem in Haar:Gefahr aus dem Wasserhahn

Mann beim Duschen, 2009

Vor allem in den Appartements der oberen Stockwerke ist das Duschen immer noch problematisch. Das Wasser erreicht dort nicht die notwendige Temperatur.

(Foto: Robert Haas)

Seit einem Jahr ist das Leitungswasser in drei Haarer Wohnblocks mit Legionellen verunreinigt. Jetzt wurde auch noch Blei in den Rohren festgestellt.

Von Markus Mayr, Haar

Der Ruheständler kommt gerade vom Sport. Eigentlich der Zeitpunkt für eine erfrischende Dusche. Doch die können er und seine Frau in ihrer Wohnung schon seit Monaten nicht mehr sorgenfrei genießen. Auch in der Küche versuchen sie möglichst auf Leitungswasser zu verzichten.

Zum Kochen verwenden sie es noch, aber zum Trinken schleppen sie ständig große 1,5-Liter-Flaschen ins Haus. "Sicherheitshalber", wie der Mann sagt. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. So wie keiner der Bewohner der Wohnanlage Wieselweg 8 bis 12 in Haar.

Aus Sorge vor Streit mit der Hausverwaltung wollen sie sich öffentlich nicht äußern zu dem seit mehr als einem Jahr in den drei Wohnblöcken grassierenden Problem: Legionellen im Leitungswasser. Und als wäre das nicht genug, wurde zusätzlich zu den gefährlichen Krankheitskeimen auch noch zu viel Blei im Wasser festgestellt. Zumindest in manchen Wohnungen.

Zum Unglück der Bewohner kommt lauwarmes Wasser aus den Hähnen

Legionellen können Lungenentzündungen auslösen. Über den Dampf, der beim Duschen entsteht, finden die Krankheitserreger ihren Weg in die Lunge. In geringer Konzentration geht von den Bakterien laut Landesgesundheitsamt nur geringe Gefahr aus. Doch finden die Bakterien in lauwarmem Wasser bei 30 bis 45 Grad Celsius optimale Bedingungen, um sich zu vermehren.

Und je mehr Legionellen, desto größer die Gefahr zu erkranken. Erst bei einer Wassertemperatur von mehr als 55 Grad beginnen die Bakterien abzusterben. Doch zum Unglück der Bewohner in Haar ist das Wasser, das aus den Hähnen kommt, nicht immer heiß genug.

Vor mehr als einem Jahr, im Februar 2015, informierte die Hausverwaltung der drei Wohnblocks, die Immobilien Management GmbH, das erste Mal das Gesundheitsamt darüber, dass das Wasser mit Legionellen belastet ist. Das geht aus einem Schriftverkehr hervor, den der SPD-Landtagsabgeordnete Peter Paul Gantzer in der Angelegenheit mit der bayerischen Gesundheitsministerin Melanie Huml geführt hat. Ein Bewohner hatte Gantzer über die gesundheitsgefährdenden Zustände am Wieselweg informiert, in der Hoffnung, der Politiker könne helfen die Verhältnisse zu verbessern. Daraufhin hatte sich dieser eingeschaltet.

Die Bekämpfung der Legionellen-Gefahr erweist sich als schwierig

Seit Bekanntwerden der Verunreinigung messen Ingenieure immer wieder die Qualität des Wassers, zuletzt Mitte Januar. Dabei stellten sie im Leitungswasser mancher Wohnungen "mittlere" bis "extrem hohe" Legionellenwerte fest und zudem einen ungesund hohen Bleigehalt. Die Hausverwaltung informierte daraufhin die Bewohner über die Gefahr und empfahl ihnen dringend, nicht ohne entsprechende Filter zu duschen und das Wasser vor dem Trinken einige Zeit aus der Leitung laufen zu lassen. So steht es auf Aushängen in den Fluren der Gebäude. Gelöst ist das Problem auch nach einem Jahr nicht. Der von der Hausverwaltung beauftragte Ingenieur Steffen König spricht von einer komplexen Problematik.

In solchen Fällen seien von der Eigentümergemeinschaft auch mal Entscheidungen über relativ hohe Investitionen zu treffen. Die Heizanlage für die Warmwasserversorgung befinde sich in dem von der Baugesellschaft München-Land verwalteten Nachbargebäude. Auch habe man erst einen Bauantrag stellen müssen, um technische Anlagen umbauen zu können. Das ziehe sich alles hin.

Die insgesamt 48 Wohnparteien in den betroffenen Gebäuden am Wieselweg 8 bis 12 sind vornehmlich Eigentümer. Sie gehen mit der unangenehmen Lage ganz unterschiedlich um, sind auch unterschiedlich stark betroffen - je nachdem, wie lange das Wasser von der Heizung bis in die Wohnungen braucht.

Die oberen Stockwerke sind stärker betroffen

Ulrich Bittner, Geschäftsführer der Baugesellschaft München Land, beteuert, dass mit der Heizung im Nachbargebäude alles in Ordnung sei. In der Nacht werde das Wasser auf mehr als 60 Grad erhitzt. Alle Leitungen seien untersucht worden, etwaige Problemstellen längst beseitigt. Der Weg allerdings, den das Wasser bis zu den einzelnen Wasserhähnen zurücklegen muss, ist weit und führt durch Rohrleitungen, die 1972 beim Hausbau verlegt wurden. Das Wasser hat also ausreichend Gelegenheit, sich auf optimale Legionellen-Temperatur abzukühlen und lauwarm in den Leitungen zu dümpeln. Die oberen Stockwerke sind deshalb wohl auch stärker betroffen als die der Heizung näher gelegenen unteren Etagen.

"Sehr ärgerlich" findet denn auch das Rentnerehepaar aus einer der oberen Etagen die Sache. Das Paar versteht nicht, warum sich alles so lange hinzieht. Obwohl es Besserungen gegeben habe, nachdem die Leitungen gespült und das Wasser vorübergehend hocherhitzt wurde. "Aber noch nicht so, dass wir zufrieden sind", sagt der Mann. Derzeit werten Ingenieure aktuelle Temperaturmessungen aus.

Beim Duschen bleibt ein "blödes Gefühl"

Dem Rentner aus der Nummer 12 bleibt ein "blödes Gefühl" beim Duschen, obwohl er den empfohlenen Filter eingebaut hat. "Und das ewige Spülen kostet einen Haufen Geld", sagt er. Der Bewohner schätzt, dass auf die Eigentümergemeinschaft Kosten zwischen 30 000 und 40 000 Euro zukommen. Weil sie keine Mieter sind, müssen sie die Ingenieure und Untersuchungen selbst bezahlen. So wie sie auch die Kosten für die neue Heizung mitgetragen haben, die vor wenigen Jahren eingebaut wurde - und seinen Angaben zufolge schon von Beginn an nicht wirklich ordentlich geheizt hat.

Eine Frau aus einer der unteren Etagen sagt indes: "Für mich ist das Thema erledigt." Die letzte Messung in ihrer Wohnung habe Entwarnung gegeben. Sie werde demnächst den Filter wieder vom Duschkopf abmontieren. Ein Ehepaar aus einer Parterre-Wohnung gibt ebenfalls an, dass sich das Legionellen-Problem vorerst erledigt habe. Und wie ist es mit dem Blei? "Wissen wir nicht", antwortet die Frau. Dann schimpfen beide auf die Hausverwaltung, die "so wenig getan" habe gegen das nun schon so lange bekannte Problem.

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