Landkreis:Mittelschulen im Plus

Das große Schulsterben, das Kritiker 2009 befürchtet haben, ist im Landkreis ausgeblieben. Das liegt auch daran, dass die Jugendlichen hier fast überall in ein oder zwei zusätzlichen Jahren zur Mittleren Reife geführt werden

Von Frederick Mersi, Landkreis

Man merkt Frank Stark an, wie stolz er auf seine Schützlinge ist. 18 Schülerinnen und Schüler der Mittelschule Taufkirchen, die er als Klassenleiter intensiv betreut hatte, haben ihre Zeugnisse der Mittleren Reife erhalten. Zwei von ihnen, Tugba Aydin und Vanessa Thier, erhielten sogar Preise bei einer Festveranstaltung im Landratsamt. Ein Erfolg, der ohne die Einführung des "9+2"-Modells in Taufkirchen vor zwei Jahren nicht möglich gewesen wäre.

Neben Taufkirchen bieten auch die Mittelschulen in Pullach und Garching ihren Schülern die Möglichkeit, nach der neunten Klasse bei entsprechender Qualifikation innerhalb von zwei Schuljahren die Mittlere Reife zu erwerben. An fünf weiteren Schulen in Unterschleißheim, Ismaning, Haar, Hohenbrunn und Höhenkirchen gibt es die Möglichkeit, dies in einem Schuljahr zu tun. Insgesamt haben an den Mittelschulen im Landkreis in diesem Schuljahr 94 Prozent der 334 Prüflinge diesen Abschluss geschafft.

Die meisten Schulen kooperieren innerhalb von Verbünden, um das Angebot möglichst vielen Schülerinnen und Schülern offenzuhalten. Nur die Carl-Steinmeier-Mittelschule in Hohenbrunn ist dabei noch selbständig.

Die Strategie zeigt Wirkung: Im vergangen wie im aktuellen Schuljahr stiegen die Schülerzahlen an Mittelschulen im Landkreis mit jeweils über 2,3 Prozent leicht an. 2009 hatte der damalige Präsident des Bayrischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes (BLLV) Klaus Wenzel noch davon gesprochen, dass Bayern die Hauptschule durch die Einführung der Mittelschule "qualvoll sterben" lasse.

Ist das große Schulsterben im Landkreis also ausgeblieben? Momentan lässt sich diese Frage klar mit Ja beantworten, sagt Schulamtsdirektorin Edeltraud Karmann-Markovic: "Diese Befürchtungen sind hier unberechtigt". Dazu trage auch das "9+2"-Modell bei. "Es stabilisiert die kleinen Schulen", so Karmann-Markovic, "In Garching gehen die Schülerzahlen seit 9+2 wieder nach oben". Auch in Kirchheim steigen momentan wieder die Schülerzahlen. Die Mittelschule bietet die zehnte Klasse mit der Möglichkeit zur Mittleren Reife im Verbund mit Ismaning an, auch das "9+2"-Modell ist im Verbund mit Garching verfügbar. "Wir bieten den Schülerinnen und Schülern damit eine Perspektive", wirbt Schulleiterin Ute Landthaler für die Angebote. Zwar seien der Mittelschulabschluss und die Mittlere Reife eigentlich gleichwertig. "Aber einige Betriebe sehen das eben nicht so", erklärt sie, "bei der Mittleren Reife kann man dann keine Unterschiede machen."

Auch Werner Mitterreiter, Rektor der Mittelschule Pullach, zeigt sich begeistert vom "9+2"-Modell, das dort bereits seit 2012 angeboten wird. "Es ist eingetreten, was man damals nie gedacht hätte", berichtet er, "es wurde eine Sogwirkung entfacht." Inzwischen hat sich die Gesamtzahl der Schulklassen fast verdoppelt, die fünfte Klasse kann nun wieder zweizügig angeboten werden. "Zuletzt hatten wir solche Zahlen vor 20, 25 Jahren", schwärmt der Schulleiter, "wir platzen räumlich schon aus allen Nähten."

Diese Entwicklung war allerdings nur durch die bereits erwähnten Schulverbunde möglich. Die Mittelschule Pullach wäre sonst zu klein gewesen, um ihren Antrag auf "9+2" bewilligt zu bekommen. "Man muss groß genug sein, um durch solche Modelle wieder größer werden zu können", erklärt Mitterreiter dieses Paradox. Dies ist der Grund, weshalb der damalige BLLV-Präsident Wenzel vor sechs Jahren mit seiner Aussage trotzdem nicht falsch gelegen hatte. Der Landkreis entwickelt sich auch dank der enorm hohen Zuzugszahlen anders als ländliche Regionen: Dort haben in den vergangenen Jahren viele Mittelschulen wegen Schülermangels schließen müssen. Anträge auf Gemeinschaftsschulen wurden meist abgelehnt. Schülerinnen wie Tugba und Vanessa, die den Abschluss der Mittleren Reife erreichen wollen, könnten sich also als Lebensversicherung für die Mittelschulen im Landkreis herausstellen - ein Beleg auch dafür, dass das reine Mittelschulmodell an sich nicht attraktiv genug ist, um Standorte zu erhalten.

Doch nach der Preisverleihung und der Abschlussfeier stehen für die beiden Jugendlichen andere Dinge im Mittelpunkt: Tugba zieht es in Richtung Giesing an die Fachoberschule, Vanessa nach Holzkirchen zur tiermedizinischen Ausbildung. 44 ihrer Mitabsolventen haben dagegen noch keinen Ausbildungsplatz. Doch Karmann-Markovic beruhigt: "In München gibt es mehr Ausbildungsplätze als Bewerber." Mit der Mittleren Reife in der Tasche haben die Schülerinnen und Schüler gute Perspektiven.

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