Landkreis:Junge Flüchtlinge sind schwer erreichbar

Weil der Kreis keinen Kontakt zu ihnen hat und ein Drittel kaum Angebote nutzt, fordert der Landrat mehr Hilfe vom Bund

Von Stefan Galler, Landkreis

Leonhard Schmid, der Leiter der Stabsstelle Asyl im Landratsamt, wirkt nicht wie einer, der zu übertriebener Aufgeregtheit neigt oder gar Panik schürt, wenn kein Grund zur Beunruhigung besteht. In seinem aktuellen Bericht zur Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen im Landkreis München, den er am Montagnachmittag im Kreisausschuss vortrug, legte er jedoch eine Statistik vor, die durchaus besorgniserregend wirkte: Demnach sind zwar 56 Prozent der 16- bis 25-jährigen im Landkreis untergebrachten Asylbewerber versorgt, was eine schulische Ausbildung, den Besuch von Deutschkursen oder sogar das Ausüben einer regelmäßigen Arbeit angehe. Mit 13 Prozent stehe man im ständigem Kontakt, um eine adäquate Beschäftigung oder andere integrative Maßnahmen zu finden. 31 Prozent der jugendlichen Asylbewerber verweigerten sich jedoch allen Angeboten. "Sie sind autonom im Landkreis unterwegs", sagte Schmid, "sie kommen zwar immer wieder, um ihre Post zu holen und ihren Meldepflichten nachzukommen, damit sie ihre finanziellen Leistungen bekommen". Darüber hinaus aber, führte er weiter aus, gebe es keinen Kontakt zu dieser Gruppe, man wisse nicht, wo sie sich aufhalten und wie sie ihre Zeit verbringen.

SPD-Kreisrätin Annette Ganssmüller-Maluche bezeichnete diese Informationen als "sehr bedenklich" und forderte Konsequenzen: "Es geht nicht nur darum, dass diesen jungen Menschen die Unterstützung nicht zuteil wird, es ist ja auch eine Frage der Sicherheit im Landkreis. So kann man das jedenfalls nicht lassen." Schmid nahm den Faden auf, konnte jedoch keinen Lösungsansatz präsentieren - was vor allem rechtliche Gründe hat: "Unser gesetzlicher Auftrag betrifft ausschließlich die Unterbringung der Flüchtlinge. Die Vermittlung von Bildung oder Arbeit ist ein freiwilliges Angebot des Landkreises." Daher sei es schwer, unter Androhung von Konsequenzen etwas zu erreichen.

Irgendwann im Laufe der Diskussion sah sich der Landrat bemüßigt, ein klärendes Wort zu sprechen, denn das Thema war auf dem besten Wege, sich zu verselbständigen. Christoph Göbel (CSU) versuchte, die Zahlen zu relativieren: Keineswegs sei es so, dass sich ein Drittel der etwa 1100 Flüchtlinge zwischen 16 und 25 Jahren "sonstwo aufhält" und womöglich ziellos durch den Landkreis fahren würde. Vielmehr habe deren fehlende Kommunikation in vielen Fällen auch mit familiären Bindungen zu tun. "Aber die Sozialbetreuung versucht natürlich, da ranzukommen. Wir müssen weiterhin daran arbeiten", sagte der Landrat und appellierte an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: "Hier müssen für die Landkreise Spielräume geschaffen werden."

Ungeachtet dieser Probleme entwickeln die Politiker im Kreis München auch weiterhin Instrumente, die bei der Integration hilfreich sein können. So verabschiedete der Kreisausschuss am Montag endgültig und einstimmig die "Kompetenzanalyse für Flüchtlinge", einwissenschaftliches Verfahren, das künftig eingesetzt werden soll, um Asylbewerber besser zu fördern und damit zielgerichteter in die Arbeitswelt vermitteln zu können. Geprüft werden sollen berufsrelevante Merkmale wie Interessen, Fähigkeiten sowie Persönlichkeitsmerkmale wie Gewissenhaftigkeit oder Belastbarkeit. Die freiwilligen Teilnehmer erhalten eine Auswertung inklusive einer Übersicht der eigenen Stärken und Schwächen, dazu ein berufliches Interessenprofil. Die Ergebnisse sind mit denen deutscher Testteilnehmer vergleichbar, so dass Arbeitgeber eine objektive Einordnung vornehmen können. Die Kosten für eine Kompetenzanalyse betragen 30 Euro und werden vom Landkreis mit 15 Euro bezuschusst. Den Rest hat der Flüchtling zu tragen oder ein Betrieb, der die Kompetenz des Asylbewerbers testen möchte. Die Idee zu dieser Analyse kam aus dem Helferkreis in Neubiberg und wurde von der FDP-Kreistagsfraktion als Antrag in die Gremien gebracht.

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