Landkreis:Die Problemlöser vom Mariahilfplatz

Landrat Göbel will ein neues Denken in seiner Behörde etablieren und setzt auf vernetztes Arbeiten. Das "Referat für Chancengleichheit und gesellschaftliche Teilhabe" soll Kräfte mobilisieren helfen

Von Stefan Galler, Landkreis

Als es um den Namen ging, konnte sich der Landrat einen lustigen Spruch nicht verkneifen: Diversity sei ja nur bedingt ein deutscher Begriff und zudem nicht jedem verständlich. "Deshalb bin ich dann auf Diversität gekommen", sagte Christoph Göbel (CSU) und erntete viel Gelächter im Plenum. Jüngst hatten die Politiker im Kreistag darüber zu befinden, ob im Landratsamt ein Sachgebiet "Diversitäts- und Regionalmanagement" eingerichtet werden solle; und dabei vor allem mit zwei Problemen zu kämpfen: Erstens konnten sich einige der Kreisräte nichts unter Göbels Idee vorstellen; und dann natürlich: dieser Name!

Zumindest hier war rasch Abhilfe geschaffen: Die vernetzte Abteilung verschiedener Bereiche wird unter der Bezeichnung "Referat für Chancengleichheit und gesellschaftliche Teilhabe" firmieren. Diese Änderung fand Zustimmung, beispielsweise bei der SPD, die noch eine Woche zuvor die Benennung kritisiert hatte. "Es ist wichtig, dass der Name verständlich ist. Wir wären sogar dafür, den zweiten Teil mit der gesellschaftlichen Teilhabe wegzulassen", sagte Fraktionsvorsitzende Ingrid Lenz-Aktas. Dieser Wunsch blieb aber unerfüllt. "Der Zusatz ist wichtig, um den Fokus auf das bürgerliche Engagement zu lenken", sagte Landrat Göbel.

Doch was genau steckt nun hinter diesem neuen Referat? "Es geht darum, verschiedene gesellschaftsrelevante Aufgaben in ein gemeinsames Sachgebiet zusammen zu führen und Synergieeffekte zu erzielen", sagte der Landrat. Er will damit den drängendsten Problemen der Gegenwart Rechnung tragen - Globalisierung, demografischer Wandel, Zuzug, Mobilität, Energiewende und Wertewandel. Und das gehe eben am besten, wenn Fachabteilungen unter einen Hut gebracht würden.

Konkret sollen der Behindertenbeauftragte, die Gleichstellungsstelle, der Integrationsbeauftragte, der Ansprechpartner für Wirtschaftsangelegenheiten, der Beauftragte für weiterführende Schulen und Wissenschaft, die Sozialplanung und die Koordinierungsstelle bürgerschaftliches Engagement in einer zehnköpfigen Stabsstelle unter der Führung eines neu zu besetzenden Sachgebietsleiters zusammengezogen werden. Kostenpunkt für die neue Stelle: 80 500 Euro.

Die Zusammenlegung sei auch deshalb wichtig, weil vielfach Anforderungen entstünden, "die als Querschnittsaufgabe weit effektiver wahrgenommen werden können als vielfach verzweigt über die jeweils einschlägigen Fachzuständigkeiten", wie es die Verwaltung formuliert. Als konkretes Beispiel wird die Integration anerkannter Flüchtlinge genannt. Hierbei seien verschiedene Stellen gefragt, von der Unterstützung bei der Wohnungssuche bis zur Vermittlung eines Arbeitsplatzes und zur gelungenen Integration.

"Wir wollen solche Belange nicht mehr problem-, sondern chancenorientiert anpacken", sagte Göbel. Was nichts anderes heißt, als beispielsweise im Bereich der Flüchtlingsunterbringung gleichzeitig die Augen offen zu halten, ob nicht der ein oder andere Asylbewerber das Zeug dazu hat, einen Beitrag zur Behebung des Fachkräftemangels zu leisten. "Denn nicht überall, wo Asylbewerber draufsteht, sind Probleme drin", so der Landrat. Bislang habe eben jeder Bereich "isoliert vor sich hingearbeitet", das sei aus seiner Sicht geradezu "störend" gewesen.

Obwohl sich der CSU-Mann mächtig ins Zeug legt und dabei von seiner Kreistagsfraktion, Grünen und Sozialdemokraten unterstützt wird, sind nicht alle Landkreispolitiker von seiner Idee restlos überzeugt. "Ich sehe eine solche Umstrukturierung kritisch", sagte Freie-Wähler-Kreisrat Michael Sedlmair. "Wir sollten zuerst unsere Leitbild-Suche im Landkreis abwarten und erst dann die Verwaltung anpassen, anstatt eine neue Abteilung zu bilden, die zusätzlich zum normalen Apparat arbeitet", sagte der frühere Ismaninger Bürgermeister im Kreistag. Schon im Ausschuss eine Woche zuvor hatte er sich kritisch geäußert: "Die Idee wäre, dass Mitarbeiter des Landratsamtes zum Telefon greifen und zwischen den Abteilungen etwas voranbringen. Die Aufgabenstellung ist mir zu verschwurbelt, mir fehlt die Überzeugung." Ähnlich argumentierte FDP-Rat Jörg Scholler: "Wir sollten nicht ins Blaue 80 500 Euro in ein zusätzliches Referat investieren, von dem wir gar nicht wissen, was es genau tun soll."

Bleibt die Frage nach der Finanzierung der zusätzlichen Planstelle. Laut Göbel hat das Bayerische Staatsministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Integration schon im Frühjahr eine Förderung für die Leitung des neu zu schaffenden Bereichs in Höhe von 70 000 Euro für zwei Jahre in Aussicht gestellt. Allerdings sei eine Stellenschaffung noch 2015 erforderlich, um diese auch tatsächlich abzugreifen. "Deshalb brauchen wir jetzt einen Beschluss", appellierte der Landrat ans Gremium. Der Kreistag folgte ihm großteils, lediglich 13 Räte stimmten gegen die Schaffung des neuen Referats.

Bei der Besetzung der Leitungsposition haben sich die Politiker allerdings Mitsprache erbeten. "Wer werden diese Personalie selbstverständlich im Kreisausschuss beschließen", sagte Göbel.

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