Landgericht:Inhaftierung von Muslimen war rechtswidrig

Während der Wiesn 2009 sperrte die Polizei zwei angeblich Terrorverdächtige ein. Das Landgericht hat die Maßnahme nun verurteilt - und die Argumente der Polizei zerpflückt.

Bernd Kastner

Die präventive Gewahrsamnahme zweier Muslime während des Oktoberfestes 2009 war rechtswidrig. Das hat das Landgericht München nun rechtskräftig entschieden. Begründet hatte die Polizei die Inhaftierung damit, dass sich die Männer durch Aufrufe der Al Kaida im Internet zu einem Anschlag auf die Wiesn verleiten lassen könnten. Es war bundesweit wohl das erste Mal, dass Sicherheitsbehörden im Rahmen der Terror-Abwehr Personen einsperrten, ohne dass man sie einer Straftat beschuldigte.

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Während der Wiesn 2009 sperrte die Polizei zwei angeblich Terrorverdächtige ein. Das Landgericht hat die Maßnahme nun verurteilt. (Archiv)

(Foto: dpa)

München war in Aufregung, damals, Ende September 2009. Die Bundestagswahl stand kurz bevor, und im Internet kursierten deutschsprachige Videobotschaften der Al Kaida, in denen Deutschland gedroht wurde. Eines der möglichen Anschlagsziele: das Oktoberfest. Die Sicherheitsbehörden verwandelten daraufhin die Wiesn in eine Festung, kontrollierten Besucher und riegelten das Gelände ab.

Weniger beachtet wurde, dass die Polizei am 26. September, dem Freitag des mittleren Wiesnwochenendes, zwei mutmaßliche Islamisten festsetzte: Einen damals 26-jährigen Marokkaner und einen Tunesier, 41 Jahre alt. Eine Ermittlungsrichterin am Amtsgericht segnete den präventiven Gewahrsam ab, zehn Tage blieben die beiden Männer eingesperrt.

Sie legten über ihre Anwälte Angelika Lex und Michael Sack Beschwerde ein, und nun zerpflückte das Landgericht alle Argumente, welche die Polizei ins Feld geführt hatte. "Die bloße Vermutung, dass sich eine Gesetzesübertretung abzeichnen könnte, genügt nicht", heißt es in dem Beschluss der 13. Zivilkammer, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Vielmehr bedürfe es konkreter Anhaltspunkte, dass sich eine Tat "schon in nächster Zeit mit großer Wahrscheinlichkeit ereignen wird".

Diese stichhaltigen Indizien aber lieferte Münchens Polizei nicht. Vor allem, so die Richter, habe die Polizei keine enge Verbindung der beiden Männer zu Personen aus dem terroristischen Spektrum belegen können. So wurde dem Tunesier etwa vorgeworfen, er kenne den Sprecher der Drohbotschaften persönlich. Der letzte nachweisbare Kontakt aber lag sechs Jahre zurück und bestand laut dem Tunesier auch nur deshalb, weil er die Schwester des Mannes habe heiraten wollen. Die Ehe sei aber nicht zustande gekommen.

Zwar entdeckten die Fahnder auf dem Computer des Tunesiers Dateien mit Anleitungen zum Bombenbau. Aber auch dies sei nicht relevant: Das spreche zwar "nicht gerade für eine friedliche Grundeinstellung" des Mannes. Doch von der "rein geistigen Beschäftigung" mit diesen Themen könne man noch nicht auf ein Attentat schließen. Explosivstoffe habe man bei ihm nicht gefunden. Außerdem seien bei seiner Inhaftierung diese Dateien noch gar nicht bekannt gewesen.

Anwältin Lex, die den Marokkaner vertritt, kritisiert die "beliebigen Mutmaßungen" der Polizei. Ihr Mandant sei dadurch in seinem Umfeld stigmatisiert, "er musste über ein Jahr lang mit dem Makel leben, ein angeblicher Terrorist zu sein". Anwalt Sack lobt das Gericht: "Es hat aufgezeigt, dass man auch in Zeiten der Terror-Gefahr und -Hysterie die Rechte der Bürger wahren muss." Beide Anwälte kündigten an, Schmerzensgeld für ihre Mandanten zu fordern.

Die Polizei gibt sich gelassen angesichts der juristischen Niederlage. "Es war keine polizeiliche Willkür", sagt Sprecher Wolfgang Wenger. Die Beamten hätten "spontan" entscheiden müssen, "wir haben nicht die Zeit, wochenlang zu warten." Es sei ganz normal, dass so eine Maßnahme von einem Gericht überprüft werde.

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