Kulturprogramm Oberschleißheim:Fast faustische Vielfalt

Der Vorhang für die neue Kultursaison in Oberschleißheim hebt sich in der kommenden Woche. Das Programm, das sein 20-Jähriges feiert, wartet neben Projekten zu Goethes Tragödie besonders mit musikalisch abwechslungsreichem Angebot auf

Von Udo Watter, Oberschleißheim

Die Chancen, sich als bayerischer Native Speaker zum Gespött zu machen, sind vielfältig. Da gibt es die, die wo "die wo" sagen oder die, die wo beim Komparativ "wie" statt "als" verwenden. Noch amüsanter klingt es für distinguierte norddeutsche Ohren, wenn einer die Vergleichsform mit dem dialektal übereifrigen "als wie" ausdrückt. Solche Spötter sollten freilich bedenken, wie Goethe seinen Faust den ersten Gedankengang im unsterblichen Meisterwerk beenden lässt: "Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor."

Ja, wer aus dem Faust zitiert, der kann eigentlich nichts falsch machen. Der literarisch-musikalische Salon "Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein" am 17. März in Oberschleißheim widmet sich dieser größten poetisch-philosophischen Schatztruhe der deutschen Literatur: Der Schauspieler Robert Kühn trägt dabei die schönsten Faust-Zitate auf spielerische Art vor, Veranstaltungsort ist das Tagungscenter der Schreiner Innovation. Umrahmt wird die Rezitation mit klassischen Kompositionen für Klavier, die alle von Faust inspiriert wurden. Es spielt die Pianistin Anna Sutyagina. Diese besondere Soirée, Beginn 19.30 Uhr, ist eine Veranstaltung im Rahmen des Faust-Festivals München und gleiches gilt für "Bridge Markland - Faust in the Box" am 23. März im Festsaal des Restaurants Kurfürst. Die Berliner Performerin Bridge Markland zeigt dort ein Ein-Frau-Theater-Stück mit Handpuppen und Popmusik. Sie spielt in durchaus rasantem Wechsel Mephisto, Faust und Gretchen sowie zahlreiche Handpuppen als ihre Gegenspieler. Spannend: Es treffen berühmte Sätze aus Goethes Versepos auf den Sound der Rolling Stones, von Rammstein, Robbie Williams, Metallica, Die Ärzte, aber auch Freddy Quinn und Marika Rökk.

Im April gibt es eine Ausstellung im Bürgerhaus

Dießen,  Kirche St.Stephan,  Konzert

Verspricht mit seinem Ensemble Percussion No. 1 ein Klangerlebnis der besonderen Art: Tassilo-Preisträger und Multiperkussionist Christian Felix Benning aus Dachau gastiert nach einem Auslandsseminar in den USA demnächst im Bürgerzentrum Oberschleißheim.

(Foto: Georgine Treybal)

Die zwei unterschiedlichen künstlerischen Annäherungen an die berühmteste deutsche Tragödie gehören sicher zu den Höhepunkten des neuen Oberschleißheimer Kulturprogramms. Das kann freilich noch mit zahlreichen anderen attraktiven Veranstaltungen aufwarten: Das Konzert von Christian Felix Benning und dem Ensemble Percussion No. 1 etwa verspricht höchste Virtuosität und ein Klangerlebnis der anderen Art: Der 2014 mit dem Tassilo-Kulturpreis der SZ ausgezeichnete Dachauer bietet Schlagzeug-Kunst, die einem quasi den Atem verschlägt. Der junge Multi-Perkussionist, dem die Kritiker schon mal das Etikett "Weltklasse" anheften, lässt es natürlich oft richtig krachen, zeigt seine Qualitäten aber auch in fast stillen Momenten. "Meine Motivation ist stets, das Publikum im Konzert aus dem Alltag abzuholen und meine Begeisterung für die Musik zu teilen", so Benning. Beim Konzert im Oberschleißheimer Bürgerzentrum am 2. März werden neben ihm vier weitere Schlagzeuger das Ensemble "Percussion No. 1" bilden: Patrick Stapleton, Marcel Morikawa, Felix Kolb und Andreas Csok. Gespielt werden für Schlagzeug adaptierte klassische Stücke von Johann Sebastian Bach, Isaac Albeniz oder Maurice Ravel über jazzige Klänge von Chick Corea bis zu Werken zeitgenössischer Komponisten. Um die Vielfalt sowie die stilistischen, musikalischen und klanglichen Möglichkeiten des Schlagzeugs darbieten zu können, entwickelt das Ensemble stets neues Repertoire mit großteils eigenen Arrangements

Einen Hörgenuss anderer, aber ebenfalls fesselnder Art dürfte das Publikum am 14. April im Bürgerzentrum Oberschleißheim erleben: Das aus dem Fernsehen bekannte Schauspieler-Paar Johanna Bittenbinder und Heinz Josef Braun präsentiert Andrea Maria Schenkels düsteren Bestseller "Tannöd", die auf einem realen Fall basierende Geschichte um einen brutalen Sechsfach-Mord auf einem bayerischen Einödhof. Die beiden Darsteller, die unter anderem schon häufiger mit dem Regisseur Marcus H. Rosenmüller zusammengearbeitet haben, schlüpfen in diesem Live-Hörspiel lustvoll in die verschiedenen Personen, das Art Ensemble of Passau will dazu mit, wie sie es nennen, "vogelwilder" Musik die passenden Atmosphären schaffen: mit Polkas, Walzer und schaurig-schönen Instrumentaljodlern.

Musikalische Vielfalt bestimmt die kommende Oberschleißheimer Spielzeit generell: Mit den Vocalistas tritt ein sechsköpfiges Oberschleißheimer Vocalensemble Ende April bei der Soirée im Kulturcafé am Huppwald auf. Im Mai gastiert unter dem Motto "CubaBoarisch 2.0" Sänger Leo Meixner mit seiner Band "Cubavaria" im Festzelt. Anna Carewe und Oli Bott begeben sich im Juni mit Cello und Vibrafon auf eine Zeitreise von Alter Musik bis Neuer Musik mit Ausflügen zu Jazz und Improvisationen. Schauplatz der Matinée ist das Schloss Schleißheim.

Zum musikalischen Auftakt der neuen Saison wird es ein bisschen rockiger: Die SixtieBeats, ein in vielen Jahren eingespieltes Trio aus Rosenheim, spielt am Samstag, 10. Februar, Rock-Musik aus den Sechzigern und Siebzigern im Bürgerhaus: Songs der Beatles, Kinks, Rolling Stones, The Who oder Jimi Hendrix.

Service

Bringen die düstere Atmosphäre von "Tannöd" als Live-Hörspiel auf die Bühne: Johanna Bittenbinder und Heinz Josef Braun.

(Foto: Veranstalter)

Und sonst? Der eigentliche Auftakt der Kultursaison ist an diesem Dienstag, 6. Februar, mit der Kindertheater-Inszenierung "Das Dschungelbuch" nach Rudyard Kipling im Bürgerzentrum, die Schulvorstellung beginnt um 10 Uhr.

Dort im Bürgerzenturm ist gut zwei Monate später, von 14. bis 22. April, auch eine Sonderausstellung zu sehen: 20 Jahre Kulturprogramm Oberschleißheim. Im April 1998 fand im Seniorenpark die erste Veranstaltung des neu initiierten gemeindlichen Kulturprogramms mit dem Glasbläserorchester "Sinfonia di vetro" statt. Seither habe viele Künstler aus verschiedenen Genres das kulturelle Leben der Schlossgemeinde bereichert. Die größten Publikumsmagneten waren dabei Kabarettisten wie Gerhard Polt, Georg Schramm oder Martina Schwarzmann, aber auch einige junge Künstler machten dort ihre ersten Bühnenerfahrungen. "Zu diesem schönen Jubiläum gratuliere und danke ich dem Kulturteam sehr herzlich, insbesondere dem kreativen Kopf des Teams Gaby Hohenberger", erklärt Oberschleißheims Bürgermeister Christian Kuchlbauer (FWG) im neuen Programmheft.

Vielfältig inspirierend verspricht in der Tat auch die aktuelle Spielzeit zu werden und wer bisher noch Kabarett im Angebot vermisst hat - beim Open Air-Kulturgipfel Ende Juli im Schlosspark wird Martina Schwarzmann ihr Programm "Genau richtig" vorstellen. Auch ein bayerischer Native Speaker.

Karten im Vorverkauf gibt es in Oberschleißheim bei Schreibwaren Heckenstaller, 089/315 19 22 oder Schreibwaren am Schloß, 089/315 01 03. Für die Veranstaltung "Hier bin ich Mensch, hier darf ich' sein" am 17. März ist der Vorverkauf möglich über MünchenTicket sowie buero@t-schleissheim.de.

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