Kulturpreis:Stärker als die Wirklichkeit

Die Nachwuchsschauspieler Teresa Sperling, Julia Zimmermann und Nicolas Wolf stellen bei der Verleihung des Lore-Bronner-Preises im Kleinen Theater Haar eindrucksvoll unter Beweis, warum sie diese Auszeichnung des Bezirks verdient haben

Von Udo Watter, Haar

Sie stand im hohen Alter von 90 Jahren noch auf der Bühne und kokettierte offenbar ungeniert mit dem Unausweichlichen - dem eigenen Abgang. Die Schauspielerin und Bühnenleiterin Lore Bronner hat - wie Bezirkstagspräsident Josef Mederer in seiner Rede im Kleinen Theater Haar verriet - immer wieder mal davon gesprochen, dass sie nach ihrem Tod zurückkehren und, etwa in Form einer Fliege, genau beobachten würde, was da in ihrem Namen künftig so auf der Bühne passiert. Seit 1996 wird der Lore-Bronner-Preis vom Bezirk an junge, herausragend talentierte Nachwuchsschauspieler mit Hauptwohnsitz in Oberbayern vergeben. Maßgeblich initiiert hat ihn die 2002 im Alter von schließlich 95 Jahren verstorbene Namensgeberin, die ihr ganzes Leben lang eine "Theaterbesessene" (Mederer) war. Ausgeschrieben wird er jährlich an staatlich genehmigten privaten Schauspielschulen in Oberbayern, heuer nahmen Kandidaten fünf solcher Schulen teil.

Kulturpreis: Schön wie eine Tollkirsche: Julia Zimmermann.

Schön wie eine Tollkirsche: Julia Zimmermann.

(Foto: Claas Gieselmann)

Von wo und in welcher Gestalt auch immer Lore Bronner bei der diesjährigen Preisverleihung im Kleinen Theater Haar zugeschaut haben mag - ob als Fliege im Scheinwerferlicht oder im Donnergrollen über dem Jugendstilgebäude - was sie da zu sehen bekam, dürfte sie gefreut haben: Die zwei Preisträgerinnen Teresa Sperling von Theaterraum München und Julia Zimmermann von der Schauspielschule Zerboni, die je 3000 Euro erhielten und ein Engagement bei den "Weilheimer Festspielen", sowie der mit einem Anerkennungspreis ausgezeichnete Nicolas Wolf, ebenfalls Zerboni, zeigten eindrucksvoll, warum die achtköpfige Jury sie ausgewählt hatte. Alle drei präsentierten sich mit bewegenden Monologen aus Dramen von Christian Friedrich Hebbel und demonstrierten zudem noch ihre Wandelbarkeit mit einer zweiten szenischen Vorstellung ihrer Wahl.

Kulturpreis: Nicolas Wolf, Teresa Sperling und Julia Zimmermann erhielen Blumen von Bezirkstagspräsident Josef Mederer.

Nicolas Wolf, Teresa Sperling und Julia Zimmermann erhielen Blumen von Bezirkstagspräsident Josef Mederer.

(Foto: Claas Gieselmann)

Der gebürtige Münchner Wolf, der auch eine Rolle bei den Weilheimer Festspielen erhält, feiert etwa als Martin in "Glow! Box BRD" von Anne Habermehl Zweijähriges mit einer leicht bekleideten Puppe. Es ist ein tragikomischer, als Dialog verkleideter Monolog, der in den Vorwurf an die Puppe mündet, nicht immer so verschlossen zu sein - und schließlich im alten Rein-raus-Spiel. Stark auch Julia Zimmermanns Auftritt als Hebbels Judith, die so betörende Sätze sagen darf wie: "Meine Schönheit ist die der Tollkirsche. Ihr Genuss bringt Wahnsinn und Tod." Die in München lebende Allgäuerin hat ein enormes Charisma, ob tragisch umflort, ob als selbstbewusster weiblicher Typ (Rainer Werner Fassbinders Petra von Kant). Die gebürtige Deggendorferin Teresa Sperling, jetzt in Erding lebend, schafft wunderbar den Übergang von der in ein rotes Kleid gewandeten Julia Hebbels, die sie scheinbar leise, doch sehr eindringlich spricht, zur baiernden Trainingsanzug-Trägerin, die ihrem mordlüsternen Freund im letzten Moment "die Eier zsammquetscht". Und zwischendurch singt sie noch klangschön auf Englisch.

Der Schauspieler, Kabarettist und Autor Moses Wolff, der in der Jury saß und die Laudatio hielt, hatte nicht übertrieben, als er den drei Ausgezeichneten unter anderem starke Präsenz und Wandelbarkeit attestierte. Atem, Technik, Sprache, das sind generell die entscheidende Kriterien und natürlich auch Authentizität, Charakter. "Für mich ist wichtig, dass ich einen Menschen da auf der Bühne sehe", erklärte die renommierte Schauspielerin und Regisseurin Yvonne Brosch, die seit der Premiere vor 22 Jahren in der Jury zur Vergabe des Lore-Bronner-Preises sitzt. Passend, dass die Moderation bei der Veranstaltung im stilvollen Ambiente mit Kerstin Becke eine frühere Lore-Bronner-Preisträgerin übernommen hatte. Die Schauspielerin, die unter anderem im dem BR-Alpendrama "Gipfelsturm", im Münchner Tatort und im Komödienstadel Rollen hatte, führte zugewandt und geradezu hochgestimmt durch den Abend. Sie erwähnte die "Dichte der Empfindungen, von denen sie nicht lassen kann" als Ursachenbeschreibung für die immerwährende professionelle Leidenschaft Broschs - das ist aber wohl ein Ausdruck, der an diesem Abend auf den Großteil des Publikums im stilvollen Ambiente des Kleinen Theaters Haar zutraf. Für viele der anwesenden Jungschauspieler, Regisseure und sonstigen Theaterleute ist es mit das Schönste, wenn sich auf der Bühne oder in einem anderen kulturellen Raum die Emotionen verdichten, die Gefühle intensivieren - mitunter stärker als die Wirklichkeit. Die 1906 in Karlsruhe geborene Bronner war dieser Sucht nach Intensität zeitlebens verfallen, als Theaterschauspielerin, Bühnenleiterin und als Fördererin des darstellenden Nachwuchses. Von 1957 an übernahm sie auch Rollen vor der Kamera. Ihr erster Film: "Die Eintagsfliege". Das war Gott sei Dank kein prophetischer Titel.

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