"Kultur im Schlosspark":Gleichzeitigkeit der Gefühle

"Kultur im Schlosspark": Bernd Glemser wurde Ende der Achtzigerjahre als jüngster Klavierprofessor Deutschlands nach Saarbrücken berufen.

Bernd Glemser wurde Ende der Achtzigerjahre als jüngster Klavierprofessor Deutschlands nach Saarbrücken berufen.

(Foto: Claus Schunk)

Bernd Glemser überzeugt in Ismaning mit komplexer Darstellungskunst

Von Julian Carlos Betz, Ismaning

Bunte Lampions hängen in den Baumwipfeln, der Seebach nebenan plätschert leise vor sich hin: Die Atmosphäre beim Freiluftkonzerts im Schlosshof Ismaning lässt einen nicht nur vom Sommer träumen. Der Auftakt zum Festwochenende "Kultur im Schlosspark" serviert dem Konzertbesucher den Sommer gleich auf einem silbernen Tablett.

Bernd Glemser, der 56-jährige Konzertpianist und vielfache Preisträger von renommierten Wettbewerben wie Cortot, Rubinstein oder auch dem ARD-Musikwettbewerb, ist Ende der Achtzigerjahre als jüngster Klavierprofessor Deutschlands nach Saarbrücken berufen worden, noch während seines Studiums. Die Frühreife und das auch heute attestierte Talent zu Virtuosität und klanglicher Ausgewogenheit haben sich so schon lange zu einem unbestreitbaren Komplex an Darstellungskunst erweitert, die Glemser auch an diesem Abend mit den Zuhörern teilt.

Noch eher ruhig einspielend mit Haydns h-Moll-Sonate Hob. XVI:32 gelangt er hier schon zu unerwartet offenen Räumen des musikalischen Erlebens: Die verspielten, aber nicht kokettierenden Triller treten erst unverbindlich auf, und werden dann wie ein das Rokoko nachfühlendes Gezirpe von dunkel aus den tieferen Klanglagen heranrollenden Akkordfolgen eingeholt und dem kontrolliert-klassischen Duktus Haydns einverleibt. Das beherrschte Spiel steigert sich dann stellenweise sogar, in den hochfrequenten Passagen des Finales in Presto, zum kühlen Jagdspiel, bei dem die kaum noch greifbaren Töne wie winzige Eiszapfen an einer Wand zerschellen -, in der Erwartung des Zuhörers nach Auflösung der rhythmischen Steigerung.

Nach der ersten Darbietung gelingt es Glemser schließlich, den gewinnenden Klang Haydns durch die triumphierende Klangwelt Beethovens noch zu übertreffen. Der Zweite im Bunde der Wiener Klassik wird von Glemser in einer Breite gespielt, die einem angesichts teilweise entfernt an Swing erinnernder Takte kaum möglich erscheint. Doch die Sonate aus dem Spätwerk mit der Nummer 32 in e-Moll greift sowohl in den tragischen Fundus hinein, wie auch in das pastose Aufwirbeln verschiedenster Töne und Variationen zu sinnlichem Selbstzweck. Die 'dunkle Faust' Beethovens, die einen so manches Mal an gravitätische Begriffe wie das antike Fatum erinnert, gefällt sich hier in einem kompromisslosen Anspruch auf die Melodie, ohne sich jedoch als erdrückendes Übermaß zu gerieren.

Glemser begeistert mit einer Sonate, die sich offen für alles zeigt: Tragik, Schwermut, fein ziseliertes Geflüster, wie auch überraschend heiteres Galopp, in dem sich die anfängliche Tragik beinahe zur Illusion verwandelt. Eine Gleichzeitigkeit der erlebbaren Gefühle und Stimmungen wird offenbar, die sich aus den eng aneinander geschmiegten Tönen speist und dort als Widerspruch aufscheint, bis Glemser die bedrängte Musik wieder auffalten lässt und zur logischen Folge erklärt.

Den Abschluss des beeindruckenden Abends bilden schließlich einige Préludes von Sergej Rachmaninoff, in denen Glemser trotz einer abweichenden Ankündigung bei der Konzerteinführung das üblicherweise mit Liszt oder Chopin vorgeführte, technische Können hinterherschiebt. Das letzte Stück, op. 23 Nummer 2 in b-Dur, wirkt dann tatsächlich russisch, wenn man sich die tautologische Feststellung erlauben darf. Glemser spielt mimetisch, wie auch schon stellenweise bei Beethoven und verschwindet dabei hinter dem dargebotenen Stück. Der kanadische Pianist Glenn Gould bezeichnete es einmal als höchste Tugend und Ideal, nicht mit der Musik eins zu werden, sondern mit dem Instrument. Nachahmung, als ursprüngliche Kulturleistung menschlicher Anfänge, kann so für den bewussten Zuhörer eine das persönliche Erleben erweiternde Erfahrung sein.

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