Kreuze in Behörden:Tiefer hängen

Kreuze in Behörden: Unstrittiges Symbol: Kreuz im Sitzungssaal des Rathauses von Höhenkirchen-Siegertsbrunn.

Unstrittiges Symbol: Kreuz im Sitzungssaal des Rathauses von Höhenkirchen-Siegertsbrunn.

(Foto: Claus Schunk)

In den meisten Rathäusern findet sich ein Kruzifix, auch im Landratsamt. Von Söders Kreuz-Erlass hält man in Ämtern und Behörden trotzdem nichts. Genauso wenig wie von der aufgeregten Debatte.

Von Martin Mühlfenzl

Es fällt kaum auf. Eher unscheinbar hängt es neben der Tür an der Wand und verschwindet noch dazu häufig hinter der Leinwand, wenn wieder irgendeine Power-Point-Präsentation zu einem neuen Gymnasium oder einer Autobahnauffahrt wichtiger ist. Dabei ist das schlichte, hellbraune Holzkreuz im Festsaal des Münchner Landratsamts nicht irgendein Kreuz. Die Hausmeister der Behörde haben es 2009 auf die Schnelle zusammengezimmert, bevor der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx erstmals am Mariahilfplatz auf Besuch vorbeikam. Die damalige Landrätin Johanna Rumschöttel, eine Sozialdemokratin, überreichte es Marx. Der segnete es und seitdem hängt es im Saal des ehemaligen Paulanerklosters.

Von dem sogenannten Kreuz-Erlass hält Marx nichts: Söder spalte mit dem Vorhaben die Gesellschaft, sagte der Erzbischof unlängst im SZ-Interview. "Im Festsaal hängt es genau richtig", sagt der amtierende Münchner Landrat Christoph Göbel (CSU) zum einzig sichtbaren Kreuz in seinem Amt. "In einem ehemaligen Kloster. Das passt doch."

"In die Kfz-Zulassungsstelle fährt keiner zum Beten"

Geht es nach dem bayerischen Ministerpräsidenten, sollen künftig in allen Landesbehörden Kreuze hängen, direkt im Eingangsbereich. Also auch im Foyer des Landratsamtes und in jeder Zweig- und Außenstelle, schließlich ist das Landratsamt nicht nur Kreisbehörde, sondern eine untere Staatsbehörde. Die Regel gilt mithin etwa für die Kfz-Zulassungsstelle in Neukeferloh. "Da fährt doch keiner zum Beten hin, sondern weil er sein Auto an- oder abmelden will", sagt Göbel.

Ein Erlass aus der Staatskanzlei, zwingend Kreuze sichtbar in den Eingangsbereichen der Landratsämter aufzuhängen, sei ohnehin noch nicht verschickt worden. "Mir liegt jedenfalls nichts vor, und ich halte davon auch nichts", sagt der CSU-Politiker Göbel. "Was soll das auch aussagen oder bringen?"

In Alexander Greulichs Büro im Ismaninger Rathaus hängt ein Kreuz. Es ist gleichzeitig mit dem Sozialdemokraten nach der Kommunalwahl 2014 in den Bau an der Schlossstraße 2 eingezogen. Auch sein Vorgänger Michael Sedlmair habe ein Kreuz in seinem Büro hängen gehabt, erzählt Greulich, das aber mitgenommen, als er sein Büro freiwillig räumte. "Ich habe selbst wieder eines aufgehängt, als ich als Bürgermeister angefangen habe, weil mir das persönlich etwas bedeutet", sagt Greulich. "Mir ist mein Glaube wichtig."

Der Sozialdemokrat Greulich ist nicht nur Bürgermeister, sondern auch Vertrauensmann der evangelischen Gemeinde im Ort - also der wichtigste Mann nach dem Pastor. Als solcher freut sich der Ismaninger nach eigenen Worten grundsätzlich "über jedes Kreuz" - etwa in Gerichtssälen: "Da gehören sie hin. Unsere Kultur ist nun einmal christlich-abendländisch geprägt." Aber womöglich auch bald sichtbar in den Rathäusern? "Symbole sind wichtig", sagt Greulich. "Aber dieses Aktion muss ganz klar im politischen Kontext gesehen werden. Deshalb kann ich auch nachvollziehen, was Kardinal Marx gesagt hat." Die Kirche, findet Ismanings Bürgermeister, "gehört in den Ort und da das Kreuz auch drauf".

Bürgermeister Schelle rät zur Zurückhaltung

Sein Oberhachinger Amtskollege Stefan Schelle (CSU) rät zu etwas mehr Zurückhaltung - beiden Seiten. Den Kritikern des Erlasses ebenso wie dessen Verteidigern. Zur Aussage des CSU-Generalsekretärs Markus Blume, wer das Kreuz in Behörden ablehne, gleiche "Religionsfeinden", sagt Schelle: "Das kann er sich sparen." Und die Kritik des Kardinals am Ministerpräsidenten, er habe den Dialog mit den Kirchen vor der Entscheidung vermissen lassen? "Wenn er predigt, fragt er den Ministerpräsidenten vorher auch nicht."

Mit dem Kreuz, so scheint es zu sein, hat in den Rathäusern im Landkreis niemand ein Problem. In den allermeisten gehört es zu Grundausstattung. Zwar nicht direkt im Eingangsbereich, aber in sehr vielen Sitzungssälen hängt es seit Jahrzehnten, ohne dass sich jemand daran gestört hätte - oder stört. "Auch bei uns verschwindet es sehr oft hinter der Leinwand", sagt Pullachs Rathauschef Susanna Tausendfreund (Grüne) und schmunzelt. "Es gehört einfach dazu und bisher hat es keinen Anlass gegeben, es abzuhängen. Warum auch?"

Es gebe auch keine Notwendigkeit, die Kirchen noch enger oder sichtbarer am Ort zu verankern und einzubinden. "Das sind sie schon", sagt Tausendfreund. "Beim Neujahrsempfang sind beide Pfarrer dabei, beim Volkstrauertag natürlich auch. Sie weihen beide am 1. Mai den Maibaum, was keine Selbstverständlichkeit ist."

Im Rathaus hängt das Kreuz überlicherweise im Sitzungssaal

Und wenn ein Mitarbeiter in seinem Büro ein Kreuz aufhängen möchte? Oder die Belegschaft als Ganzes eines in der Behörde an einem zentralen Platz möchte? Ersteres, das ist aus allen befragten Rathäusern zu hören, sei gar kein Problem, da Privatsache jedes Einzelnen. Die zweite Frage sei sehr hypothetisch. "Dann werden wir darüber reden", sagt Neubibergs Bürgermeister Günter Heyland (Freie Wähler).

Das Kreuz, das in seiner Gemeinde üblicherweise im Sitzungssaal hängt, haben Mitarbeiter vorübergehend in einer Kiste verstaut. Der Saal im Haus für Weiterbildung wird wie das ganze Gebäude saniert. Es werde danach aber wieder an seinen angestammten Platz kommen, versichert Heyland. Vom Erlass des Ministerpräsidenten hält der Neubiberger Bürgermeister selbst nicht viel. "Wenn so etwas von oben kommt, geht es nur um Pflichterfüllung. Da verliert so ein wichtiges Symbol auch schnell an Wert."

"Es schadet sicher nichts, wenn man beim Anblick eines Kreuzes darüber nachdenkt, wofür es steht", sagt Oberhachings Rathauschef Schelle. "Für Mitmenschlichkeit. Und auch für unsere christliche Werteorientierung." In der laufenden Debatte, findet Schelle, dürfe nicht gleich "jedes Statement überhöht werden". Aber auch Schelle weiß, dass der Landtagswahlkampf gerade so richtig Fahrt aufnimmt. "Vielleicht ist es ja auch genau deshalb gut, bei so einem Thema etwas Dampf aus dem Kessel zu lassen."

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