Kreis und quer:Santa-Angst im Advent

Die einen leiden unter Keraunothentophobie, die anderen fürchten sich einfach nur vor dem Niklolaus.

Von Michael Morosow

Es gibt so furchtbar viele Phobien auf dieser Welt, dass man direkt Angst bekäme, sie alle aufzählen zu müssen. Einige sind ziemlich bescheuert, etwa die Hippopotomonstrosesquippedaliophobie (Angst vor langen Wörtern), andere geradezu hanebüchen wie die Keraunothentophobie (Angst vor herabstürzenden Satelliten). Einige aber sind durchaus nachvollziehbar, zumal für einen erfahrenen Stadtneurotiker. Etwa die Samhainophobie (Angst vor Halloween). Dem Betroffenen steht dabei stets der Angstschweiß auf der Stirn, wenn alle Kindergangs aus der Nachbarschaft im Minutentakt an seiner Tür klingeln, um in mafiöser Weise Süßes (oder Saures!) einzufordern. Vier Wochen danach wird sich der Gestresste hoffentlich wieder eingekriegt haben.

Wenn er freilich offen ist für Ängste aller Art und auch für einen formidablen Hypochonder die nötige Sensibilität mitbringt, dann kann man ihn vielleicht heute schon in der Therapiegruppe der Santaclausophobiker antreffen. Diese erbarmungswürdigen Zeitgenossen leiden ganz fürchterlich schon allein bei dem Gedanken an Weihnachten und allem, was dazu gehört - von A wie Advent bis Z wie Zimtstern. Der Santaclausophobiker ist ein Weihnachtsmuffel mit hohem Angstpotenzial. Auf ihn wirkt selbst der lieblichste Goldengel wie ein Horrorclown und bei "O du Fröhliche" kriegt er Zustände. Seine Angststörung ist leider nur schwer zu therapieren, weil sie mehrere Facetten aufweist und einen progressiven Verlauf hat. Die ersten Symptome, kleine Stressflecken am Hals, zeigen sich in der Regel schon im Spätsommer, wenn beim Discounter die ersten Dominosteine auf den Santaclausophobiker einschlagen. Dann sollte er sich am besten in ein Flugzeug setzen und bis Heiligabend in ein anderes Land flüchten wie ein Asthmatiker, wenn ihn die Pollen quälen. Denn für alle, die im Lande bleiben müssen, zum Beispiel, weil sie dummerweise auch noch unter Aviophobie (Flugangst) leiden, brechen schon im September schwere Zeiten an. Mit anderen Worten: Für sie greift der Dominoeffekt.

Am Sonntag, wenn die erste Adventskerze entzündet wird, hat der gemeine Santaclausophobiker schon ein Vierteljahr Vorweihnachtszeit hinter sich gebracht, das Schlimmste indes noch vor sich. Den Rund-um-die-Uhr-Last-Christmas-Wahnsinn auf allen Kanälen, weihnachtliche Illuminationen beinahe hinter jedem Fenster und an jedem zweiten Gartenzaun, Stollen-Plätzchen-Lebkuchen-Düfte, wohin er auch seine Nase hält. Und dann das Nikolaus-Spektakel, das heuer bereits Mitte November begonnen hat. Wenigstens zu Letzterem könnte er seinen Leidensgenossen in der Therapiegruppe Balsam reichen: Beim vorweihnachtlichen Kathrein-Markt am vergangenen Wochenende in Heimstetten streikte der Nikolaus; der Termin war ihm zu früh. Vielleicht kann der Santaclausophobiker daraus Kraft schöpfen, um die unausweichliche Apokalypse am Heiligen Abend besser zu überstehen als in den Vorjahren, da regelmäßig weitere Ängste bei ihm ausbrachen: die Syngenesophobie (Angst vor Verwandten), die Methyphobie (Angst vor Alkohol) und die Pocresophobie (Angst vor Gewichtszunahme). Für dieses Mal drücken wir ihm fest die Daumen. Keine Angst, wird schon.

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