Kreis und quer:Wahlkampf ohne Ende

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Die Unterföhringer dürfen nicht mitreden, die Integrationsbeauftragte redet zu viel. Das Superwahljahr ist noch lange nicht zu Ende

Von Martin Mühlfenzl

Der Spruch "Wer die Wahl hat, hat die Qual" ist so altbacken wie falsch. Wählen zu dürfen, ist schlichtweg ein Privileg. Das gilt für den deutschen Staatsbürger, der die Wahl kürzlich erst hinter sich gebracht hat, wie für den besser situierten Metropolregion-Bewohner an der veganen Biomarkt-Theke. Freut euch, dass ihr wählen dürft! Viel schlimmer ist, die Qual ertragen zu müssen, nicht wählen zu dürfen. So wie die Unterföhringer, die zwar im Schatten des Heizkraftwerks Nord mit seinem Steinkohleofen leben, über dessen vorzeitige Stilllegung aber nicht mitentscheiden dürfen, weil es zwar auf ihrer Flur steht, aber den Stadtwerken München gehört.

Der Münchner Bürgerentscheid am 5. November ist ja so etwas wie der Abschluss eines Superwahljahrs, das so super gar nicht war. Weder für Europa noch für Deutschland und auch für den Landkreis nicht. Auch hier im eigentlich so gesegneten Land von Unterschleißheim bis Grünwald sind die Auswirkungen der Bundestagswahl sowie des Ergebnisses im Nachbarland Österreich und der vier Landtagswahlen zu spüren. Leidenschaftlich wird diskutiert, manch einer (oder eine) trägt noch immer Trauer, andere setzen den Dauerwahlkampf einfach fort.

Kerstin Schreyer etwa, die Integrationsbeauftragte des Freistaats aus Unterhaching, kommentierte vor wenigen Tagen die Idee (und mehr war es nicht) von Bundesinnenminister Thomas de Maizière, einen muslimischen Feiertag einzuführen, mit den Worten: "Ich muss darüber nicht nachdenken. Ich will das nicht!" Die Freiheit, diese Position zu wählen, hat Schreyer. Wer für Integration verantwortlich zeichnet, sollte seine Worte aber bedächtiger wählen. Das hat sogar der CSU-Lautsprecher Andreas Scheuer erkannt, der mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen in Berlin sagt, dass schnelle Ergebnisse erzielt werden könnten, wenn jeder die Realitäten im Land richtig einschätze. Kerstin Schreyer sei daran erinnert, dass weit mehr als 60 000 der 340 000 Menschen im Landkreis keinen deutschen Pass besitzen, darunter auch viele Muslime.

Zur Wahrheit gehört freilich, dass der einen Wahl schnell eine andere folgt, dass nach einem Bürgerentscheid die Landtagswahl kommt, bald darauf die Kommunalwahl - und das manchmal leidenschaftliche, mal quälend niveaulose Wahlkampfgetöse nie aufhört. Das wissen die linken Grünen im Landkreis, für die der Scheuer Andi immer der Teufel im schwarzen Zwirn und eine Koalition mit der CSU eine Höllenfahrt sein wird. Daran erinnert Kerstin Schreyer, die gerne weit rechts blinkt und doch irgendwie den Zusammenhalt einer sich rasant verändernden Gesellschaft fördern soll. Darunter leiden die Unterföhringer, die mit ansehen müssen, wie die Münchner eine für sie so wichtige Zukunftsfrage entscheiden. Sie sollten den Bürgern der Landeshauptstadt zurufen: Geht wählen!

© SZ vom 21.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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