Kreis und quer:Zwanglos zum Vorspiel

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Auf zahlreichen Neujahrsempfängen wird die Zukunft im Landkreis beschworen

Von Udo Watter

Mag ja sein, dass die Hoffnung zuletzt stirbt. Aber der Satz selbst ist mittlerweile so zu Tode zitiert, dass er für ernst zu nehmende Schöngeister schon lange gestorben ist. Ähnlich ergeht es Hesses Gedichtzeile "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne", die durch übermäßigen Gebrauch unter (Halb-)Bildungsbürgern ihres Zaubers verlustig gegangen ist. Die Versuchung, sie zu Jahresbeginn mal wieder ins Feld zu führen, ist dennoch groß, aber es soll ja Menschen geben, die allem widerstehen, sogar der Versuchung.

Also, im Prinzip gilt auch für 2017: Aller Anfang ist schwer. Eingedenk weihnachtlicher Speiseverpflichtungen könnte man sogar sagen: Aller Anfang hat Übergewicht. Jenseits adipöser Aspekte gibt es derzeit wieder viele Menschen, die ihre Bedeutungsschwere ohne Scheu zur Schau tragen und sich überall im Landkreis treffen, um den gesellschaftlichen Einstieg ins neue Jahr zu feiern. In vielen Gemeinden gibt sich Mitte Januar die politische, kulturelle und sonstige Hautevolee bei Neujahrsempfängen die Ehre. Dabei geht es nicht nur um kommende Herausforderungen, sondern auch um die Retrospektive. Ohne Herkunft keine Zukunft quasi, Ehrenmedaillen werden verliehen, das im vergangenen Jahr Geleistete wird gewürdigt. Für Bürgermeister heißt es, pointiert zwischen Rückblick und Ausblick zu changieren. Man befindet sich zwar nicht mehr zwischen den Jahren, aber auf der Schwelle, im Grenzgebiet zwischen Ausklang und Auftakt, beim finalen Vorspiel, über dem schon der Ernst des Lebens 2017 schwebt. Generell ist so ein (eher) zwangloser Neujahrsempfang für den Geist einer Kommune nicht unwichtig, oft wird er gewürzt durch den Auftritt eines gewichtigen politischen Gastredners oder Livemusik.

Die Zeit der Neujahrkonzerte ist mittlerweile fast wieder passé, Walzer- und Operettenseligkeit von Oberhaching bis Unterschleißheim verklungen, nur Taufkirchen wartet noch mit einem Hörereignis auf. Das Schöne daran: Beim Neujahrskonzert im Kulturzentrum am 21. Januar gestalten lokale Helden das Programm. Die in Taufkirchen aufgewachsene Cellistin Margit Pertler-Tomasi spielt den Solopart von Tschaikowskys Rokoko-Variationen, Claus Blank, Leiter der Musikschule, ist Solist von Tschaikowsky berühmtem Klavierkonzert. Und das Tedeum von Dvořák, das anlässlich der 400-Jahr-Feier der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus entstand, wird von Johannes Eppelein dirigiert, der als Kirchenmusiker in der Gemeinde tätig war. Brahms soll einst ob der klanglichen Wucht des Werkes scherzhaft gesagt haben: "Das Te Deum ist wohl für die Feier der Zerstörung Wiens und Berlins durch die Böhmen gedacht und scheint mir dafür auch recht geeignet." Zerstörung und Gotteslob. Tusch. Busch. Klangwucht. Übergewicht. "Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum" - Nietzsche-Zitate gehen immer.

© SZ vom 14.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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