Kreis und quer:Seid ihr alle da?

Einmal nicht zu wollen, was alle wollen, ist nicht einfach, aber möglich

Von Michael Morosow

An diesem Wochenende steigt der Frosch gleich zwei Leitersprossen auf einmal nach oben. Das heißt, nur wer nachmittags bei 30 Grad plus ins Solarium oder ins Kino will, wird sicher einen freien Platz finden. In den Freibädern und an den Seen dagegen wird es eng werden, Biergärten werden übervölkert sein. Das ist halt so, wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt. Wer sich an einem der beiden heißen Tage die Sonne auf den Pelz brennen lässt, könnte währenddessen darüber sinnieren, ob es überhaupt einen Lebensbereich gibt, in dem sich Nachfrage und Angebot die Waage halten. Er würde sich aber eher einen anständigen Sonnenbrand holen, als dass ihm nur einer einfiele. Dass Kinderbetreuung nicht dazu zählt, davon können die Städte und Gemeinden im Landkreis München ein Lied singen. So müssen in Unterschleißheim 188 Eltern befürchten, für das neue Kindergarten- und Krippenjahr keinen Betreuungsplatz zu bekommen. In vielen anderen Kommunen sieht es nicht besser aus. Wartelisten und Warteschlangen sind zum festen Bestandteil des Lebens geworden.

Hohe Nachfrage, wenige bis keine Angebote - mit diesem Los haben auch allerhand Vereine zu kämpfen, wenn es auf Neuwahlen zugeht. Es gab Zeiten, da haben sich die Mitglieder darum gerissen, Präsident oder dergleichen zu werden. Heute werden die Posten angeboten wie Sauerbier. Und wie groß war das Gedränge, wenn eine Faschingsgesellschaft nach Prinzessin und Prinz suchte. Nur wer im Ort wohnte, genügend Penunzen, edle Herkunft oder Aufsehen erregende Schönheit nachweisen konnte, kam in den engeren Kreis der Bewerber. Heute nehmen sie jeden, der in der Lage ist, zum Rathaus zu finden, um sich den Schlüssel abzuholen. Der Kirchheimer Narrenrat hat jetzt, im Mai, mitgeteilt, dass er bei der Suche nach einem Prinzenpaar noch nicht fündig geworden sei. Er muss sich sputen, bis zum 11.11. ist es nicht mehr lang hin. Dabei hat er die Latte nicht besonders hoch gelegt. Zwischen 25 und 50 Jahren sollen beide alt sein. "Tanzerfahrung wäre von Vorteil, muss aber nicht sein", schreibt die Kirnarra.

Vom Prinzenpaar zum Kindertheater: "Seid ihr alle da?", fragt der Kasperl immer noch. Früher erhielt er ein hundertstimmiges "Ja" zur Antwort. Heute wäre es manchmal realitätsnaher, wenn er fragen würde: "Ist jemand da?" Womit wir in Garching wären, wo in einem umgestalteten Bauwagen mit 22 Sitzplätzen Kindertheater gespielt wird und Wilfrid Grote extra für Kindergartenkinder ein Stück geschrieben hat. Die Nachfrage (0) blieb lange deutlich unter dem Angebot (22), und erst nach zäher Mund-zu-Mund-Werbung im Freundeskreis war der Bauwagen am Freitag voll. Für die Aufführung am Samstag, 11 Uhr, gibt es noch Karten. Wer also auf der Suche nach einem kühlen Plätzchen ist - das Stück heißt: "Gretl im tiefen Wald."

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