Kreis und quer:Nichts für Voyeure

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Während Adam und Eva zum Fremdschämen einladen, macht Toni Hofreiter neuerdings Wohlfühl-TV

Von Stefan Galler

Eine Entschuldigung im Voraus: In der Werbung wird der geneigte Leser dieser Zeitung aufgefordert, dass er ruhig anspruchsvoll sein solle, wenn er das Produkt konsumiert. Dass wir uns nun zunächst mit der RTL-Fernsehsendung "Adam sucht Eva - Gestrandet im Paradies" beschäftigen, mag da nicht passen. Doch wenn man sich dem Thema "Fremdschämen" nähert, kommt man um solche Formate kaum herum.

In dieser Reality-Show laufen Leute pausenlos nackig über eine Südsee-Insel. Ziel ist es, dass sich aus verschiedenen FKK-Konstellationen Pärchen bilden. Auf welches Niveau man sich hier begibt, ist eigentlich unbeschreiblich. Eine exemplarische Aussage von Kandidatin Jeannina gibt zumindest einen Eindruck. Vor dem ersten Kontakt mit "Adam" Gaetano sagte sie: "Ich werde wahrscheinlich gleich auf sein Ding gucken. Wenn es ein kleines, mickriges Würstchen ist, werde ich mich nicht so freuen." Anspruch? Nein. Fremdschämen? Unbedingt!

Aber wahrscheinlich macht genau das den Reiz aus für all die Voyeure da draußen. Mag sein, dass wir mit diesem Beispiel hoch eingestiegen sind, klar ist aber: Bei der Fremdscham projiziert man die Erlebnisse eines anderen auf sich selbst. Und deshalb ist es einem eben peinlich, wenn sich der Kollege besoffen auf der Weihnachtsfeier zum Affen macht. Oder wenn der Politiker aus dem eigenen Wahlkreis in einer Satiresendung vorgeführt wird.

Als der Bundestagsabgeordnete Toni Hofreiter in der Heute-Show zu Gast war, beschlich so manchen politikaffinen Landkreisbürger ein ungutes Gefühl: Wie würde sich der Sauerlacher, der auf der großen Medienbühne bisher immer ungelenk rüberkam, dort verkaufen? Das Ergebnis: Überraschend unpeinlich, obwohl er gleich zu Beginn die "bescheuerten CSU-Typen" in Bundes- und Landesregierung geißelte. Später konterte er cool einen Witz über seine Frisur und schwadronierte darüber, was Moderator Oliver Welke und er "in unsere nicht unrelevanten Bäuche stecken". Selbst der Ausschnitt vom Salvatoranstich, wo ein sichtlich enthemmter Hofreiter mit seinem grünbemalten Double Walzer tanzte, war irgendwie okay.

Neue Lockerheit, gelungenes Medientraining oder nur gute Tagesform? Zumindest Letzteres kann ausgeschlossen werden, denn jetzt trat Hofreiter in der Kinder-Nachrichtensendung Logo als Interviewpartner der kleinen Rieke auf. Und konnte den Trend bestätigen: Sympathisch, schlagfertig und ehrlich kam er rüber. Als die Schülerin ihm etwa eine Szene vorspielte, in der er im Bundestag herumkrakeelte, und danach ihre Mutter zitierte ("Schreien ist keine Lösung"), widersprach Hofreiter: "Da merken die anderen, das ist jetzt wirklich mal ernst."

Eine bittere Enttäuschung für die Voyeure unter uns: Hofreiter im Fernsehen ist neuerdings fast schon Wohlfühl-TV.

© SZ vom 25.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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