Kreis und quer:Nichts bleibt geheim

Mühlfenzl, Martin
(Foto: Bernd Schifferdecker)

Der geschichtsträchtige Boden spuckt immer wieder Zeugnisse längst vergangener Epochen aus. Warum das so ist, weiß keiner

Von Martin Mühlfenzl

Man kann sich leibhaftig vorstellen, wie der Schranner Volker und sein Spezl, der Schöps Max, voller Verzweiflung mit den Fäusten auf den Waldboden einschlagen. Schatzjäger wollten sie ja eigentlich sein; genau genommen Goldschatzjäger. Und was ziehen die beiden Hobby-Archäologen statt antiker, wertvoller Münzen aus der Ayinger Erde? Eine Schreibmaschine! Eine verrostete Klapperkiste mit vergilbten Tasten! Da kannst nur noch verzweifeln. Und das in einem Landstrich, von dem behauptet wird, der geneiget Sammler müsse nur die oberste Schicht des Bodens abtragen, und die Artefakte würde ihm quasi entgegenspringen.

Ist ja eigentlich auch so. Denn nach kurzer Recherche haben die beiden Ayinger Schatzsucher herausgefunden, dass die Schreibmaschine in Wahrheit eine der seltensten Chiffriermaschine der Welt ist. Eine "Hitlermühle", so der gängige Name schon zur Zeit des Nationalsozialismus. Wer das Schlüsselgerät SG 41, das die von den Alliierten entschlüsselte Enigma ersetzen sollte, wann genau vergraben hat, lässt sich nicht mehr bestimmen. Als Witz der Geschichte bleibt hängen, dass ein Gerät, das von den Nazis zur Geheimhaltung entwickelt worden war, kurz nach dem Krieg unbedingt geheim gehalten werden sollte - um dann doch entdeckt und Ausstellungsstück des Deutschen Museums zu werden.

Die Suche mit einem Metalldetektor scheint im Landkreis und vor allem in den südlichen Gemeinden lohnenswert zu sein. Der geschichtsträchtige Boden spuckt immer wieder Zeugnisse längst vergangener Epochen aus. Warum aber gerade im idyllischen Aying laufend spektakuläre Entdeckungen gemacht werden, wurde von der Forschung noch nicht abschließend geklärt. Vielleicht liegt es schlicht daran, dass schon die alten Römer die malerische Gegend zu schätzen wussten. Warum sonst hätten sie gerade hier ein Kastell errichten sollen? Und vor 20 Jahren entdeckte der Ertl Giagl ein 3400 Jahre altes Bronzeschwert und die Erdställe in der Gemeinde sind für wahre Archäologen wahre Schatzkammern - während ahnungslosere Spaziergänger nur dafeide Spalten wahrnehmen, wie der Ayinger sagen würde.

Ein kostbares Relikt muss freilich erst einmal als solches erkannt werden. Wie wird es da wohl künftigen - hoffentlich höher entwickelten - Generationen gehen? Wenn etwa in einigen Jahrhunderten in Unterföhring der Metalldetektor wahnsinnig laut anschlägt und die Schatzsucher riesige Metallklumpen entdecken. "Abstrakte Kunst", werden sie sich womöglich denken - oder: "Einfach nur greislig." Und nach kurzer Recherche entpuppen sich die Entdeckungen als Turbinen aus einem Heizkraftwerk, das einst hier gestanden haben muss. Und mit Kohle betrieben wurde. Wie altertümlich die damals im Landkreis waren. Da kannst echt verzweifeln.

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