Kreis und quer:Hilferufe aus der grünen Hölle

Herrlich, wie der Landkreis aufblüht. Wäre da nur nicht der gemeine Knöterich

Von Iris Hilberth

Aaach, ist das schööön... Ach, ist das schööön... Ach, ist der Rasen schön grün!" Wie wahr. Und ganz schön hoch ist er auch schon wieder. Man muss zu dieser Erkenntnis derzeit gar nicht wie einst Loriot "Auf der Rennbahn" durch ein Fernglas schauen, um sich am satten Farbton allüberall zu erfreuen. Der Landkreis ist ergrünt, chlorophyll-getränkt sozusagen. Und alles ist echt, hier muss keiner nachfärben wie bei der Fußball-WM 2014 in Brasilien, wo der Gärtner gerne mal zum Farbtopf griff, weil der saftige, grüne Rasen zum mickrigen braunen Acker verkommen war. Nein: Es wächst, es sprießt, es rankt geradezu in Lichtgeschwindigkeit. Dass dieser unübersehbare Größenwahn der Natur dem feucht-warmen Wetter der vergangenen Wochen geschuldet ist, steht außer Zweifel. Doch wo soll das noch hinführen?

Bleiben wir mal beim Rasen. Kaum hat man sich in seinem Garten einmal umgedreht, sind die Halme schon wieder kniehoch. Da kann es durchaus vorkommen, dass man ernsthaft Zweifel daran hegt, ihn überhaupt gemäht zu haben. Oder man denke nur an den gemeinen Knöterich. Vor dem kann einem noch angst und bange werden, wie er sich auf der Terrasse von der Seite an den Ahnungslosen heranmacht. Man kann diesem Gewächs quasi zuschauen, wie es sich völlig ungeniert windet und biegt, bis man irgendwann im Gartenstuhl völlig von diesem respektlosen Kraut umschlungen wird und sich nicht mehr rühren kann. Das ist alles nicht mehr lustig und man fragt sich, ob bei dem Computerspiel "Pflanzen gegen Zombies" nicht doch die Untoten die Guten sind.

Womöglich ist der Wucherwahnsinn in diesem Juni auch der Grund, warum im Landkreis München an diesem Wochenende beim bayernweiten "Tag der offenen Gartentür" alle Tore in die privaten grünen Paradiese geschlossen bleiben. Man kommt da schlichtweg nicht mehr rein. Die Hecke von Dornröschen war vermutlich ein Dreck gegen den Wildwuchs von heute. Kaum ist der Eingang freigeschnitten, ist schon alles wieder zugewachsen. Wenn das so weitergeht, wird man sich bald mit der Machete durch den Landkreis schlagen müssen. Jetzt schon gilt es, obacht zu geben und bloß nichts verlieren in der grünen Hölle. Kinder und Tiere nicht aus den Augen lassen, sonst geht es einem wie der Oberhachingerin, die sich nach dem Spaziergang durchs hohe Gras im Hachinger Tal auf Facebook beklagt: "Ich sehe meinen Hund bald gar nicht mehr."

Selbst den Grünwaldern ist das viele Grün inzwischen nicht mehr geheuer. Kein Wunder, dass das Problem mit den "Heckenüberhängen" dringend gelöst werden musste, ganz egal ob zeitgleich zur Ausschusssitzung am vergangenen Dienstag die deutsche Fußballmannschaft bei der Europameisterschaft in Frankreich auf dem Rasen auflief. Grün war der auch. Aber ob er echt grün war?

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