Kreis und quer:Galaktische Olympioniken

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Da krümmt sich der Physiker - und streckt sich, um nach Mumbai zu dürfen. Dort dürfen nämlich nur die besten hin; also all die kleinen Einsteinchen

Von Michael Morosow

Was sagt ein arbeitsloser Physiker zu einem Physiker, der gerade eine Anstellung gefunden hat? "Einmal Pommes mit Mayonnaise, bitte." Zugegeben, dieser Witz ist so alt wie der Urknall, und sein Urheber sollte sich so was von schämen für seine Häme, die er über eine gesellschaftlich wertvolle Spezies gießt. Ohne den großen Albert Einstein zum Beispiel wüssten wir heute noch nichts von den sagenhaften schwarzen Löchern, in denen laut Physiklehrer Ziegler nicht nur Sterne auf Nimmerwiedersehen verschwinden können, sondern auch unaufmerksame Schüler, wenn sie sich im Raum krümmen. Oder so ähnlich.

Bei Schülern, die nach dem Ende der Physikstunde in Lichtgeschwindigkeit ins Freie eilten und den Energieerhaltungssatz dem Deutschunterricht zuordneten, verblasst halt galaktisch schnell die Erinnerung an Materie und Energie und die vielen Formeln, die sicher nur deshalb erfunden wurden, um 24 von 25 Schülern in jeder Klasse den Tag zu versauen. Einer ist ja immer dabei, den es brennend interessiert, wie lange der Fall einer zwei Kilogramm schweren Kugel dauert, wenn man sie in zehn Metern Höhe loslässt. An die 24 anderen hat Albert Einstein wohl gedacht, als er feststellte: "Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher."

Nachdem der geniale Geist sich seiner Physis vor ziemlich genau 70 Jahren entledigt hat, kann er an diesem Sonntag, 12. April, leider nicht leibhaftig erscheinen, wenn am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in Garching eine Vorentscheidung in der laufenden "Internationalen Physik-Olympiade" fällt. 16 Kandidaten haben sich in der Woche nach Ostern in einem deutschen Auswahlwettbewerb mit einer Reihe von theoretischen und experimentellen Aufgaben aus der Physik befasst, die fünf Besten werden am Sonntag im Herbert-Walther-Hörsaal am MPQ gekürt. Diese Handvoll Einsteinchen darf zur Belohnung nach Mumbai in Indien reisen, wo die Olympiasieger ermittelt werden und wo es keine Pommes mit Majo gibt, dafür aber unendlich viele Hochhäuser, aus denen man zwei Kilogramm schwere Kugeln werfen kann, wenn mal eine Formel nicht aufgeht. Und aus dem Nirwana schaut Albert Einstein zu, der geistige Überflieger, der große Vereinfacher, der einst die wissenschaftliche Erkenntnis zum Besten gab: "Zeit ist das, was man an der Uhr abliest." Hätten wir das in einer Physik-Ex aufs Blatt geschrieben, hätte sich Lehrer Ziegler im Raum gekrümmt.

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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