Kreis und quer:Durchatmen und weiterfeiern

Wie die Garchinger das nächste Jahr ohne Gowirich überstehen könnten

Von Gudrun Passarge

Darf's ein bisserl mehr sein?" Diese früher durchaus resolut vorgetragene Frage der Fleischerei-Fachverkäuferin beim Abwiegen der Salami kommt inzwischen recht kleinlaut daher. Liegen doch zwischen früher und heute die Warnungen der Weltgesundheitsorganisation, der Verzehr von verarbeitetem Fleisch erhöhe das Risiko, an Krebs zu erkranken. Nein, freiwillig will sich das niemand antun, da müssen eben mal zwei Radl Wurst reichen für die nächsten 14 Tage. Schmalhans Küchenmeister eben.

Solche Überlegungen liegen den Garchingern dagegen völlig fern. Ein Ziel vor Augen, langen sie voll zu, ohne Rücksicht auf Folgeschäden. Man nehme nur die 1100-Jahr-Festivitäten. Spätestens seit Januar ist jeder der etwa 17 000 Einwohner von diesem eigenartigen Garchinger Feier-Fieber erfasst. Vom Kleinkind bis zur Uroma, fast jeder hat irgendwo mitgespielt, aktiv oder wenigstens passiv. Da gab es Faschingsbälle, die sich dem Motto widmeten, Lesungen, Festumzüge, zu deren Ehren sich die Teilnehmer bei allergrößter Sommerhitze teils äußerst unbequeme Kostüme überstülpten, Theater, Musicals, Konzerte, Kirchenführungen und was eben sonst noch so dazugehört zu einem gelungenen Festjahr. Eine Veranstaltung pro Tag, mindestens. Da war es schon beinahe enttäuschend, dass die kürzlich vorgestellte Ortschronik völlig aus dem Rahmen fällt. Lediglich 544 Seiten für 1100 Jahre Geschichte? Eine Seite pro Jahr hätte man doch mindestens erwarten können. Aber da hat dann wohl die Vernunft gesiegt, denn noch mehr hätte vermutlich die Leser trotz der fantastischen Beiträge doch eher erschlagen. Die aktuelle Chronik bringt immerhin auch so schon 2,8 Kilogramm auf die Waage.

Zum Fieberwahn gehörte auch eine Figur aus dem Mittelalter, die überall auftauchte. Gowirich mit seinem ziegelroten Umhang und dem lustigen Hut war so etwas wie das Markenzeichen der Feste. Der Namensgeber Garchings hatte sich gleich in drei Personen geteilt, um alle Termine wahrnehmen zu können. So omnipräsent war er bislang, dass mancher, der arglos ein Überraschungsei öffnete, schon Sorge hatte, auch dort könne ihm eine Gowirich-Figur entgegenpurzeln. Doch bald ist es aus, vorbei mit der Feierei, der 31. Dezember naht. Die Folgen sind vorhersehbar: Schwere Entzugserscheinungen und nicht wenige Garchinger, die es ganz besonders schlimm getroffen hat, werden in ein tiefes, schwarzes Loch fallen. Vielleicht sollten die Garchinger noch schnell eines ihrer bewährten Kreativ-Komitees gründen, das sich rasch Gedanken macht, wie das Fieber auskuriert werden kann. Feierlichkeiten in kleinen Dosen übers nächste Jahr gestreut wären hilfreich. Der Bürgermeister hat schon angekündigt, 2016 gebe es zehn Jahre U-Bahn über Garching zum Campus zu feiern. Also bitte, Festkomitee, übernehmen Sie. Und es darf ruhig ein bisserl mehr sein.

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