Zu den größten ästhetischen Zumutungen für bekennende Schöngeister und Edel-Feuilletonisten gehört die Konfrontation mit dem Dilettanten. Ein Fachfremder, ein Hobbykreativer, der sich ins Reich der Kunst und des Erbaulichen wagt - da kann man nur müde die Luft durch die Nase auslassen. Schon Thomas Mann, Ästhetizist par excellence, ließ seine Figur Tonio Kröger in der gleichnamigen Novelle sagen: "Wir Künstler verachten niemanden gründlicher als den Dilettanten, den Lebendigen, der glaubt, obendrein bei Gelegenheit einmal Künstler sein zu können." Diese durchaus distinguierte Einstellung ist insofern nachvollziehbar, als man auf manche VHS-inspirierte Aquarelle mit floralen Motiven in Ausstellungen gut verzichten könnte und im Selbstverlag veröffentlichte Regionalkrimis auch nicht gerade der Quell reiner Freude sind.
Aber so sicher (und stilsicher) es stattdessen ist, Kultur auf hohem Niveau nur zu konsumieren , der gelegentliche Wechsel auf die Seite der Protagonisten zeitigt mitunter Wunderbares im Kleinen. Die aktive künstlerische Erfahrung ist im lokalen kulturellen Mikrokosmos vielerorts bereichernd, gerade auch in Kombination mit Profis. Und niemand kann sagen, im Landkreis sei man in dieser Hinsicht untätig oder hätte keine Ansprüche.
An diesem Wochenende etwa wird die Garchinger Produktion von Orffs "Carmina Burana" aufgeführt, mit rund 300 Mitwirkenden. Es ist vornehmlich ein Projekt des örtlichen Theater-und Musikvereins "Zeitkind". In Haar findet am Samstag die vierte Haarer Chornacht mit 14 Ensembles aus der Gemeinde statt. "Let the people sing" heißt das Motto. Am kommenden Donnerstag führen knapp 150 Taufkirchner Schulkinder das Musical "Peter Pan" auf. Ja, die Freude am Musizieren ist ausgeprägt hierzulande, als Hochburg ambitionierter Projekte kann Oberhaching gelten. Ob mit Opern, Oratorien oder Konzerten - die Chöre und Ensembles der Gemeinde prägen regelmäßig das örtliche Kulturprogramm: Am Samstag, 27. Juni, etwa gibt das Kammerorchester Oberhaching ein Konzert im Bürgersaal.
Natürlich gibt es im Landkreis viele weitere Chöre, Ensembles, Blaskapellen oder Theatergruppen. Deren Darbietungen sind wohl von unterschiedlichem Niveau, aber wenn Menschen mit ausgeprägtem Kulturdünkel darüber generell die Nase rümpfen, könnte man ihnen entgegenhalten: Das italienische dilettare stammt vom lateinischen delectare, was zu deutsch "sich erfreuen" heißt. Und wenn man etwas rein aus Freude und Leidenschaft tut, also eine Sache um ihrer selbst willen, ausübt - und Zweckfreiheit nach Kant ein Charakteristikum der Schönheit ist - dann kommt der Dilettant im ursprünglichen Sinne der Schönheit vielleicht sogar näher. Anders gesagt: Unvollkommene Kunst mit Herzblut kann manchmal inspirierender sein als Perfektion im Rahmen des Gewohnten.