Kreis und Quer:Der moderne Münchhausen

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Der Lügenbaron wollte sich mit der Reisegeschwindigkeit seiner Zeit nicht zufriedengeben. Hätte es damals den Hyperloop schon gegeben, den Studenten in Garching heute entwickeln, Münchhausen wäre in nur zwei Minuten vom Hofbräuhaus im Biergarten in Aying gewesen.

Glosse von Michael Morosow

Die erste Hyperloop Rohrbahn wird in Kalifornien gebaut. Der Ritt auf der Kanonenkugel erübrigt sich da. (Foto: obs)

Baron Münchhausen war ein genialer Erbauer von Luftschlössern. Den Vogel abgeschossen hat er mit der Räuberpistole von seinem Ritt auf einer Kanonenkugel. Da hatte er wirklich zu dick aufgetragen, behauptete er doch nicht nur frech, er sei auf der Kanonenkugel über feindliche Stellungen geflogen. Nein, der Kerl will am Ende auch noch auf eine in die Gegenrichtung fliegende Kugel umgestiegen sein. Und das in einer Zeit, da das Flugzeug noch nicht erfunden war und die schnellste Reisegeschwindigkeit in einer Pferdekutsche erzielt wurde. Jetzt nennt man ihn halt Lügenbaron, obschon diese Verballhornung vielleicht vorschnell zum Synonym für den Freiherrn geworden ist.

Kann es nicht sein, dass Baron Münchhausen im 18. Jahrhundert seiner Zeit deutlich voraus war und die unglaubliche Geschichte von der gerittenen Kanonenkugel als Metapher gedacht war für seine Vision von einer geschwinden Reisetechnik? Erinnert sei dabei auch an den Weissager Mühlhiasl aus dem Bayerischen Wald, der in Münchhausens Zeit lebte und damals schon einen eisernen Hund kommen sehen wollte, der durch den Vorderwald bellt. Ein Menschenleben danach war die Eisenbahn erfunden und galt der bayerische Nostradamus als Prophet. Ein Schwarzseher war er allemal, sagte er doch Kriege und Elend voraus. "Wenn d' Wagen ohne Roß und Deichsel fahren (. . . ), dann steht's nimmer lang an", soll er gesagt haben. Wenn der Mühlhiasl damals geahnt hätte, dass dereinst ein "Wagen" nicht nur ohne Roß und Deichsel, sondern auch ohne Fahrer, dafür aber annähernd in Schallgeschwindigkeit durch eine Röhre schießen würde, dann hätte er diese Unglaublichkeit wohl als sicheres Anzeichen für den Untergang der Welt gesehen.

So weit ist es noch nicht, aber Studenten der TU in Garching arbeiten daran. Anfang dieser Woche haben sie ihre Version eines Hyperloops öffentlich vorgestellt. Dieser hat wenig gemein mit einem eisernen Hund, sieht eher aus wie ein gestrandeter Delfin, ist aber eine Luftkissen-Kapsel, in der 28 Passagiere mit 1220 Sachen durch eine Röhre geschossen werden. In diesem Tempo gelangt der Münchner in 30 Minuten nach Berlin oder in zwei Minuten vom Hofbräuhaus zum Ayinger Biergarten. Mit ihrem Prototypen schafften es die Garchinger unter die Besten 30 im weltweit ausgelobten Studentenwettbewerb "Hyperloop Pod Competition", hinter dem kein anderer steckt als der US-Unternehmer Elon Musk, bekannt auch durch seine Vision vom selbstfahrenden Elektroauto. Dass kürzlich eines dieser futuristischen Dinger einen von rechts kommenden Lastwagen übersehen hat, was zu einem tödlichen Crash führte, muss die Garchinger Studenten nicht verunsichern. In der Röhre ist man sicher vor Lastwagen, und dass einem eine Kanonenkugel entgegenfliegt, ist auch eher unwahrscheinlich.

© SZ vom 09.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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:Mit dem Hyperloop in 30 Minuten von München nach Berlin

Studenten der Technischen Universität in Garching haben einen Prototypen für das Fortbewegungsmittel gebaut, mit dem Tesla- und Paypal-Erfinder Elon Musk das Reisen revolutionieren möchte.

Von Trang Dang

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