Kreis und quer:Der Herr ist mit ihnen

Eure Wege sind nicht meine Wege. So verkündete es der Prophet Jesaja. Doch der hatte keine Ahnung vom Verkehr im Landkreis München.

Von Stefan Galler

Dass die Wege des Herrn unergründlich sein sollen, hat schon der Apostel Paulus festgestellt - und diese Erkenntnis auch sogleich den Römern auf dem Postweg mitgeteilt. Und der Prophet Jesaja wähnte sich schon 800 Jahre vorher nicht auf dem Holzweg, als er Gott dieses Zitat in den Mund legte: "Eure Wege sind nicht meine Wege."

Beide Aussagen lassen sich allerdings vor dem Hintergrund, wie es heute auf den Straßen im Landkreis München zugeht, trefflich widerlegen. Das soll kein Vorwurf sein, schließlich haben es höchstwahrscheinlich weder Paulus noch Jesaja zu Lebzeiten nach Sauerlach, Putzbrunn oder Garching geschafft, damals gab es schließlich noch keine Direktflüge von Jerusalem oder Rom ins Erdinger Moos und auch die Regionalbuslinien hatten ihre Glanzzeiten noch vor sich. Es ist gut, dass das biblische Duo die aktuellen verkehrlichen Zustände nicht erleben musste, womöglich wären sie vom Glauben abgefallen: Baustellen, Staus, Sperrungen - wer im hufeisenförmigen Gebilde rund um München von links oben nach rechts unten will, muss Zeit mitbringen und ein stabiles Nervenkostüm.

Von wegen "eure Wege sind nicht meine Wege" - hier scheint es so, als ob alle den gleichen Weg benutzen. Und das gilt für sämtliche ausgebauten Straßen. Und unergründlich mag vielleicht sein, dass der mit Autokolonnen zugepflasterte McGraw-Graben mittlerweile zwischen 8 und 19 Uhr praktisch durchgehend den Weg aus Unterhaching heraus versperrt und auf der A 99 jeden Tag unaufmerksame Autofahrer ineinanderkrachen, wodurch Tausende andere im Schneckentempo an der Mega-Baustelle Aschheim-Ismaning vorbeirollen müssen. Nicht jedoch der Weg des Herrn im SUV vor einem - der ist sogar ziemlich nachvollziehbar, er will nämlich ans gleiche Ziel.

Seit Christoph Göbel Landrat ist, führt er seinen Kreistagskollegen regelmäßig vor Augen, wie schwierig es ist, sich hier vorwärts zu bewegen: Er lässt die Sitzungen des Plenums gerne mal in Grünwald, Unterhaching oder - wie diese Woche - in Oberschleißheim stattfinden. Es kamen zwar alle pünktlich, wobei nicht überliefert ist, ob die Politiker aus dem Isartal und den Südgemeinden vielleicht schon am Vorabend angereist waren und an der Hotelbar ein bisschen Landkreis-Lobbyismus betrieben haben. Bei Göbels Sitzungsleitung ist eine straffe Anfahrt allemal anzuraten. Sonst ergeht es einem wie dem Ayinger Kreisrat Franz Inselkammer vor ein paar Monaten: Er war 20 Minuten zu spät zu einer Ausschusssitzung am Mariahilfplatz erschienen, da hatte der Landrat die Tagung gerade geschlossen. Vermutlich stand er im Stau, aber der Verkehrswahnsinn sollte nicht als Ausflucht benutzt werden, schließlich sind wir selbst daran schuld. Hier hat Paulus nämlich vollkommen recht: "Niemand kann sich also herausreden. Die ganze Menschheit ist vor Gott schuldig!"

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: