Kreis und quer:Begegnet den Stimmenfängern

Die Weihnachtsgeschichte ist eine Geschichte, die Mut macht

Von Lars Brunckhorst

Auch denjenigen, die nur einmal im Jahr - an Heiligabend - in die Kirche gehen, ist sie vertraut: die Weihnachtsgeschichte. "Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde", lauten die wohl bekanntesten Bibelzeilen aus dem Lukas-Evangelium, das mit der frohen Botschaft, die es verkündet, seinen Zauber über die Jahrhunderte hinweg nicht verloren hat - ebenso wenig wie seine Aktualität. Denn die Geschichte von der Geburt Jesu ist auch eine Geschichte der Angst.

So schreibt Lukas über die Hirten, die des Nachts ihre Herde unweit der Krippe hüten: "Und siehe, des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr." Doch der Engel versteht es, den Furchtsamen ihre Angst zu nehmen. "Fürchtet euch nicht!", ruft er ihnen zu, "ich verkündige euch große Freude".

Solch ein mächtiges "Fürchtet euch nicht!" wäre auch heute dringend nötig. Denn Angst ist am Ende dieses Jahres mit seinen schrecklichen Terroranschlägen und Kriegsgräueln überall mit Händen zu greifen. Damit ist nicht nur die Angst vor den großen Gefahren und Katastrophen gemeint. Angst verspüren viele Menschen auch in ihrem ganz persönlichen Alltag - gerade auch in einem sicheren und saturierten Raum wie dem Münchner Speckgürtel.

Wo Wohlstand und Reichtum von einer wachsenden Schicht immer ungenierter zur Schau getragen werden, ist die Angst, nicht mithalten zu können, besonders ausgeprägt. Aus der Angst vor der nächsten Mieterhöhung, welche die Wohnung unbezahlbar macht, der Angst vor Kündigung und Jobverlust, entsteht die Angst vor dem sozialen Abstieg. Diese Ängste haben einen ganz realen Bezug: Seit Jahren steigt die Zahl der Menschen im Landkreis München, die sich an Tafeln mit Lebensmitteln eindecken müssen, weil ihr Geld für den wöchentlichen Einkauf nicht reicht, ebenso wie die Zahl jener, die von Obdachlosigkeit bedroht sind. Die Zuwanderung der vielen Mittellosen verstärkt diese Ängste, vergrößern sie doch die Zahl derer, die um Wohnraum, Jobs und Sozialleistungen konkurrieren.

Von den Stimmenfängern am rechten politischen Rand werden diese Ängste begierig ausgenutzt und befördert, etwa mit Parolen gegen eine vermeintliche Überfremdung oder Islamisierung. Ihnen gilt es zu begegnen. Mit einer hoffnungsvollen Botschaft wie der Weihnachtsgeschichte vom Retter der Menschheit in dunkler Nacht. Dieser ist kein mächtiger Kaiser, sondern ein kleines, schwaches Kind, das nicht einmal ein richtiges Obdach hat. Es kommt nicht auf Macht und Geld an, will uns das Lukas-Evangelium sagen, sondern auf Liebe. Die Weihnachtsgeschichte ist schlussendlich keine Geschichte der Angst, sondern eine des Mutes.

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