Kreis und quer:Arena-Imitat auf der Landebahn

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Sie strahlt rot-weiß, sie hat eine rautenartige-Wabenstruktur, sie ist von weitem sichtbar. Die All . . ., nein. Nicht Münchens sportliches Wahrzeichen im Norden. Sondern die Flüchtlingsunterkunft in Neubiberg, die auf der Landebahn liegt wie ein Ufo

Von Stefan Galler

Da radelt man am späten Abend bestgelaunt aus dem Biergarten nach Hause und steht plötzlich vor einem unergründlichen Rätsel. Genauer gesagt steht man vor einem großen Gebäude, das aussieht wie ein riesiges Schlauchboot. Die Außenwand ist beleuchtet, ein rot-weißes Rautenmuster. Wie, die Bayern spielen heute? Und wieso hier im Landschaftspark in Neubiberg? Oder haben wir uns verfahren und sind gar nicht auf dem Heim-, sondern auf dem Holzweg und deshalb in der Fröttmaninger Heide gelandet? Waren es doch mehr als die zweieinhalb Mass, an die wir uns erinnern? Oder verträgt man bei der Hitze einfach weniger?

Doch bei näherem Hinsehen wird klar: Bei diesem aufgeblasenen Arena-Imitat handelt es sich gar nicht um das berühmte Fußballstadion im Münchner Norden. Übrigens auch nicht um den Hachinger Sportpark, den man womöglich nach dem Abstieg der SpVgg aus der dritten Liga einfach in abgespeckter Form am anderen Ende des Rollfelds nachgebaut und in einem letzten Anfall von Größenwahn als Lookalike des berühmten Münchner WM-Stadions gestaltet haben könnte. Aber nein, das nach dem Generali-Ausscheiden nunmehr von einer Guatl-Firma gesponserte Stadion steht immer noch da, wo es Toni Schrobenhauser 1992 hingebaut hat: Neben der Autobahn am Ortseingang von Unterhaching. Die Chancen, dass es dort stehen bleibt und nicht irgendwann mangels fußballerischer Relevanz dem Siedlungsdruck zum Opfer fällt, haben sich mit der Hachinger Pokalsensation am vergangenen Wochenende gegen den Erstligisten Ingolstadt erheblich verbessert. Wäre auch zu schade, schließlich gehört dieses etwas in die Jahre gekommene ehemalige Schmuckkästchen quasi zum Bundesliga-Kulturerbe, seit die Hachinger dort vor 15 Jahren einem gewissen Christoph Daum eine lange Nase drehten und ihm am letzten Spieltag die Meisterschaft raubten.

Zurück zum unbekannten Objekt, das tatsächlich auch als Ufo oder womöglich sogar als Kulisse für einen Science-Fiction-Film taugen würde. Doch plötzlich wird einem klar: Dieses Bauwerk steht nicht für abgedrehte Fantasy-Geschichten, sondern für die traurige Realität. Es handelt sich um jene Traglufthalle, die man für Flüchtlinge aufgestellt hat. Und das Einzige, was sie, abgesehen vom äußeren Erscheinungsbild, mit der Fröttmaninger Arena gemeinsam hat, ist die Tatsache, dass hier Menschen aus vielen verschiedenen Nationen unterwegs sein werden (von denen übrigens tatsächlich manche Fußballtrikots tragen dürften).

Da steht man und ist einerseits beeindruckt von dieser leuchtenden Pseudo-Arena. Und gleichzeitig tief betroffen. Beim Gedanken an diejenigen, die es nicht bis zu diesem Schlauchboot geschafft haben, weil sie vielleicht in einem anderen im Mittelmeer Schiffbruch erlitten haben.

© SZ vom 14.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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