Kreis und quer:Amerika ist überall

Brunckhorst, Lars

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Alle schütteln den Kopf über Trump und die Amerikaner. Dabei gibt es auch in der Kommunalpolitik hierzulande Populisten und Haudraufs, über die man nachdenken sollte

Von Lars Brunckhorst

Rund tausend US-Amerikaner leben im Landkreis München. Gut möglich, dass ein Teil von ihnen in nächster Zeit die Einbürgerung beantragt, nachdem der Horror-Clown mit dem Föhn-Toupet tatsächlich Präsident geworden ist. Und das um mehr als - Achtung: Wortwitz! - Haaresbreite. Sie werden dann in der Schlange vor der Ausländerbehörde auf eine Menge Briten treffen. Unter denen, so hieß es diese Woche, habe die Bereitschaft zum Wechsel der Staatsbürgerschaft seit dem Brexit-Votum so drastisch zugenommen, dass das Landratsamt sogar extra mehr Personal einstellen muss.

Andererseits: Wer weiß schon, was hierzulande noch so passiert. Seit dem US-Wahl-Schock halten Kulturpessimisten alles für möglich: Markus Söder als Ministerpräsident, Frauke Petry als Kanzlerin, Dieter Bohlen als Bundespräsident. Das ist natürlich Schmarrn. Doch die Frage stellt sich: Wenn so einer wie Donald Trump mächtigster Mann der Welt werden kann, könnte dann nicht auch die Dauernervensäge aus dem Gemeinderat nächster Bürgermeister werden? Vor allem in Kirchheim soll diese Angst verbreitet sein. So ganz unberechtigt ist sie nicht. In Taufkirchen hat es schließlich vor ein paar Jahren auch schon mal ein krasser Außenseiter, der mit Angriffen gegen alles und jeden auffiel, wider alle Erwartungen ins Rathaus geschafft. Und in einer anderen großen Gemeinde im Münchner Osten sitzt seit ein paar Jahren ein Bürgermeister im Rathaus, dessen Kandidatur anfangs als Witz belacht wurde und der dann die Kandidatin des Establishments haushoch schlug. Unvergessen auch ein Bürgermeister, der mal ungeschoren behaupten durfte: Von Zeit zu Zeit eine Watschn habe noch keiner Frau geschadet. Sage also keiner, hierzulande sei man vor Populisten, Amateuren und Haudraufs gefeit.

Und es ist ja auch nicht so, dass der Stil des politischen Meinungsstreits nicht auch bei uns mitunter ins Bodenlose abstürzen würde. Kalkulierte Regelverstöße und Grenzüberschreitungen gehören für einige Parteien und Politiker mittlerweile zum Handwerkszeug. Das gilt nicht nur für die große Politik. Beschimpfungen und Anfeindungen sind fast wöchentlich in vielen Gemeinderäten zu erleben und kaum eine Bürgerversammlung oder Informationsveranstaltung zu Flüchtlingsunterkünften, auf der nicht Wutbürger über "die da oben" schimpfen. Erinnert sei auch an die jüngsten Auseinandersetzungen im Landkreis, etwa bei den Bürgerentscheiden über einen Schlachthof in Aschheim oder ein Hochhaus in Haar. Dienstaufsichtsbeschwerden, Betrugsvorwürfe, Anzeigen - die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. In Taufkirchen war die Kommunalpolitik durch tiefe Feindschaften jahrelang geradezu paralysiert. Wer also den Kopf über Amerika schüttelt, sollte mit diesem auch mal über das eigene Land nachdenken.

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