Kreis und Quer:Alle erledigt

Vor dem tiefen schwarzen Sommerloch müssen Eltern die ereignisreichen, stressigen Wochen vor den Ferien überstehen

Von Iris Hilberth

Sollten Anhänger von Verschwörungstheorien mal einen idealen Tag für den Weltuntergang suchen, dann ist weder der Blick in irgendeinen Mayakalender noch die verbriefte Verlässlichkeit von berühmten Wahrsagern hilfreich, sondern schlichtweg die Erfahrung in einem durchschnittlichen Juli. Wer mittendrin steckt in diesen vier Wochen des organisatorischen Wahnsinns, das tatsächliche Ende des Schuljahres und den Anfang der Sommerferien fest im Blick, der weiß genau: Am 1. August ist alles erledigt, alles vorbei. Der perfekte Tag für ein sauberes Ende.

Dann ist jedes Fest gefeiert, jedes Geschenk verteilt, jeder Kuchen gebacken, jedes Abschiedslied abgesungen und jeder vor der Pension stehende Schulleiter verabschiedet. Dann sind die Koffer gepackt, die Wanderschuhe anprobiert, die Schulsachen verräumt. Die unauffindbare Taucherbrille ist nachgekauft, das Haus geputzt, das Auto ausgesaugt und die Jacke aus der Reinigung geholt. Der 31. Juli ist gnadenlos und unverrückbar.

Bis dahin aber gilt es Nerven und vor allem den Überblick zu behalten. Ob mithilfe von Klebezetteln am Kühlschrank oder der Erinnerungsfunktion des Smartphones, die zu bewältigende Flut an Terminen ist auch im Landkreis München in den Wochen vor der Sommerpause gigantisch: die Abschlussfeier im Kindergarten, das Ehrenamtsfest, der Schulweghelferempfang, die Hilfsaktion für Flüchtlinge, die Sportlerehrung, das Burgfest, die Bundesjugendspiele, die Fahrt ins Schullandheim, die Aufführungen des Schultheaters, das Pfarrfest, das Fußballturnier der E-Jugend, der Kultursommer, der Auftritt der Musikschüler, die Projekttage am Gymnasium, die Biergartengespräche der Politiker, das Grillfest der Feuerwehr. Sommertheater, Sommerfest, Sommerlauf . . .

Familien mit mehreren Kindern befinden sich vor den Sommerferien im Termin-Dauerstress, müssen sich nicht selten auf verschiedene Veranstaltungen verteilen und werden täglich nach Spenden von Salaten oder Muffins gefragt. Und irgendwo muss ständig die Tuba, das Cello oder die Gitarre des Sprösslings abgeholt und Geld für irgendein Abschiedspräsent eingesammelt werden. Oder die Lehrerin sucht dringend noch Begleiter für den Schulausflug. Der gut gemeinte Vorschlag: "Wir sollten uns vor den Ferien unbedingt noch mal treffen", wird dann von dauergestressten Eltern meist nur noch mit einem erschöpften "Wäre echt nett, aber . . ." beantwortet. Es ist wie vor Weihnachten. Nur schlimmer, weil das Sommerloch größer ist als die Lücke zwischen den Jahren. Und Geschenke gibt es auch keine.

Die Stiftung für Zukunftsfragen hat zwar kein wirklich tolles Rezept gegen diesen terminlichen Ausnahmezustand. Doch sie hat in einer aktuellen Studie festgestellt: Zwei Drittel der Deutschen sind total gestresst, wenn der Urlaub beginnt. Man ist also nicht allein. Insbesondere Selbständige und Freiberufler arbeiten bis zum Abreisetag und wechseln quasi direkt vom Büro- auf den Liegestuhl. Vor allem Frauen würden sich überdurchschnittlich oft keinen sanften Start in den Urlaub leisten. Gesund ist das nicht, nicht wenige werden daher an den ersten Ferientagen erst einmal krank. Nur die Kinder sind von all dem meist völlig unbeeindruckt, lehnen sich allerspätestens nach Notenschluss mit einem Lustigen Taschenbuch gemütlich zurück und raten: "Mama, chill mal!" Schöne Ferien.

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