Die Kreis-SPD nach den Wahlniederlagen:Das Herz blutet, aber es schlägt

SPD Fähnchen auf dem Volksfest in Puchheim, 2013

Trotz des Gegenwinds Flagge zeigen: Die SPD steht weiterhin zu ihrem Kanzlerkandidaten Martin Schulz.

(Foto: Johannes Simon)

Jetzt erst recht: In der Woche nach der verlorenen NRW-Wahl machen sich die Sozialdemokraten im Landkreis Mut und geben die Bundestagswahl im Herbst noch nicht verloren.

Von Lea Frehse

Ismaning, Stammtisch des SPD-Ortsvereins. Am Sonntag hat die Partei auch noch die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen verloren. Ausgerechnet. Der tiefe Westen gilt als Herzkammer der Sozialdemokratie, da schmerzt die Niederlage auch Genossen im sonst so fernen Ismaning. Mehr als alle anderen am Tisch aber schmerzt sie Peter Otten.

Der 51-Jährige stammt aus Essen, lebt seit 19 Jahren in Ismaning, hat sich aber die klare, breite Sprache des Ruhrpotts bewahrt. Zum Debakel von NRW sagt er: "Ich find's gut, dass wir wenigstens richtig aufs Maul bekommen haben. Hätten wir knapp gewonnen, hätten sich alle auf Martin Schulz ausgeruht. Jetzt kämpfen wir erst recht!" Von den Genossen am Stammtisch gibt es dafür anerkennendes Nicken und ein kräftiges Prost.

Viel war in den vergangenen Monaten die Rede gewesen vom Schulz-Effekt für die SPD, dem neuen Schwung, der mit der Ernennung von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten die Mitglieder der Partei beflügelte, der Idee, dieser Schwung könnte der SPD eine echte Chance geben, bei den Bundestagswahlen im September stärkste Kraft zu werden. Auch im Landkreis waren die Genossen im Aufwind: Mehr als 70 neue Mitglieder traten bei und für Bela Bach, die SPD-Bundestagskandidatin aus Planegg, standen die Chancen gar nicht mehr schlecht. Nach der verheerenden Niederlage vom Sonntag aber stellt sich endgültig die Frage: Wie viel ist übrig von der Euphorie unter den Genossen im Kreis?

Als hätten sie Liebeskummer

In der Woche nach der verlorenen NRW-Wahl klingen viele von ihnen, als hätten sie Liebeskummer: "Bitter" sei das Wahlergebnis gewesen, sagt die designierte Vorsitzende der Bayern-SPD, die Neubibergerin Natascha Kohnen. Ihr "blute das Herz" sagt Ulrike Haerendel, Ortsvereinsvorsitzende in Garching. Doch folgt auf jede der Trauerbekundungen auch ein Aber: Die Bundestagswahl, heißt es einhellig, sei noch längst nicht entschieden. Und: Auf Martin Schulz lasse man nichts kommen. Wer verliebt ist, gibt nicht kampflos auf.

Am Stammtisch in Ismaning diskutieren etwa 20 Genossen, darunter Bürgermeister Alexander Greulich und die stellvertretende Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche, lautstark über die Wahlen und "den Martin". Dem Bürgermeister hat die Niederlage seiner Partei in Nordrhein-Westfalen den Sonntag "richtig versaut" - noch dazu nach dem verlorenen Spiel der Münchner Löwen. Von Trauerstimmung aber ist rund um den roten SPD-Wimpel in ihrer Mitte nichts zu spüren. Eher sitzen sie hier wie ein Fan-Klub nach der Niederlage seiner Elf: Das 0:3 hat wehgetan, - die dritte verlorene Landtagswahl in Folge - aber ist nicht die Gemeinschaft das Wichtigste? Noch vor einem Jahr, sagt einer, habe sich hier höchstens eine Handvoll Mitglieder getroffen und oft ärgerlich von der Parteispitze in Berlin gesprochen. Heute sagt Ganssmüller-Maluche: "Schulz bekäme wieder 100 Prozent."

Eine überzeugende Führungsfigur

Das dürfte auch daran liegen, dass Schulz nicht nur die alten Genossen begeistert, sondern neue Mitglieder angezogen hat. Peter Otten zum Beispiel, der zwar stets die SPD gewählt hat, aber ihr erst beitrat, weil Martin Schulz ihn als Führungsfigur überzeugte. Oder Alexander Pfaffinger, 18, der seit seinem Eintritt in die Partei die Erfahrung gemacht hat, dass Politik bei der SPD viel familiärer ist, als er gedacht hatte. Und sich doch fragt, ob dieses Nahbare auch bei den Wählern ankommt - gerade bei denen in seinem Alter.

Wohl niemanden in der Kreis-SPD beschäftigt diese Frage derzeit stärker als Bela Bach. 26 Jahre alt ist die Kreisvorsitzende, die von ihren Parteikollegen vor wenigen Monaten zur Bundestagskandidatin gekürt wurde. Zwar ist die CSU im Landkreis München noch immer stärkste Kraft geworden, doch könnte Bach über die Landesliste in den Bundestag einziehen - wenn die SPD keine Bruchlandung hinlegt wie in NRW. Bach sagt: "Wir machen Wahlkampf, um stärkste Kraft zu werden." Das klingt nett. Aber auch etwas gezwungen.

Denn schaut man auf den Wahlslogan der SPD und dann in den Landkreis, scheinen sich beide eher fern zu sein. Die SPD wirbt mit dem Schlagwort "soziale Gerechtigkeit", im Kreis aber herrscht großer Wohlstand, nach Umverteilung sehnt man sich hier eher nicht. Ulrike Haerendel, die zu Bachs Wahlkampfteam gehört, erklärt, warum das Thema trotzdem ziehen könnte: "Wir sitzen hier im Speckgürtel, aber das birgt Gefahren: Wenn die Preise weiter steigen, könnten auch Normalbürger von hier verdrängt werden."

Werben um die Wählerherzen

Schulz hin oder her: Die Wähler im immer noch überwiegend schwarzen Landkreis von einer sozialdemokratischen Agenda zu überzeugen, werde nicht leicht, heißt es am Stammtisch. Aber allein, dass sie heute hier sitzen, in einer Wirtschaft, sei schon ein Weg, Wählerherzen zu gewinnen. "Die SPD gilt bei uns noch viel zu oft als verkopft und abgehoben, während die CSU die Leute einfach beim Wir-Gefühl packt", sagt Arno Helfrich, Vorsitzender des Ortsvereins. "Es ist gut, wenn die Leute uns so sehen: am Stammtisch, beim Ratschen."

In Ismaning hat es die SPD schon zur stärksten Kraft gebracht. Ganssmüller-Maluche sagt dazu: "Von der Kommunalpolitik kann die SPD was lernen: Wo wir die Bürgermeister stellen, macht die Partei keine linke Politik, sondern eine an normalen Leuten orientierte, soziale Politik."

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