Konstante Zahlen:Noch Volkspartei

Puchheim: VOLKSFEST / SPD-Fraktionsvorsitzender Markus Rinderspacher spricht im Festzelt

Die SPD besitzt im Landkreis München einen Status, der ihr im Freistaat insgesamt immer mehr abhanden kommt: den einer Volkspartei mit etwa 1500 Mitgliedern.

(Foto: Johannes Simon)

Auch wenn die SPD im Bayerntrend auf einen Tiefststand abgesackt ist: In Reaktion auf das Erstarken von Populisten hat sie mit den Grünen im Landkreis München an Mitgliedern zugelegt. Platzhirsch ist bei Weitem die CSU

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Vor Natascha Kohnen liegen gleichermaßen spannende und nervenaufreibende Monate. Nicht zuletzt seit der neuesten Sonntagsfrage des BR, die der Bayern-SPD nur noch 14 Prozent im Freistaat prophezeit. Der Neubibergerin Kohnen fällt als Landtagsabgeordneter und vor allem Generalsekretärin ihrer Partei die Aufgabe zu, die SPD aus diesem desaströsen Umfragtief herauszuführen. Sonst droht die SPD im Freistaat, in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen.

Das ist insofern schon bemerkenswert, als die Genossen gerade im Landkreis München - Kohnens Heimat - immer noch eine bedeutende Rolle spielen. Die Partei stellt in den 29 Kommunen etwa mehr Bürgermeister als die CSU; darunter starke Persönlichkeiten. Und die Kreis-SPD schafft, was weder der Landes- noch der Bundespartei gelingt: Sie hält ihre Mitgliederzahl konstant bei 1500 Genossen - hat also entgegen dem Trend auf Bundesebene in den vergangenen Jahren keinen dramatischen Einbruch hinnehmen müssen. Von Unterschleißheim über Ottobrunn bis Pullach stellt die SPD dar, was sie auf Landesebene möglicherweise bald nicht mehr sein wird: eine Volkspartei.

Die Grünen freuen sich über den "Trump-Effekt"

Das hat auch damit zu tun, dass die SPD in den vergangenen drei Monaten ein spürbares Plus an Neumitgliedern verzeichnen konnte. "Seit der Amerika-Wahl", sagt die Leiterin der Geschäftsstelle des Unterbezirks München-Land, Angelika Stöger. "Dadurch konnten wir die Wegzüge ausgleichen."

Ein Effekt, den auch die Grünen im Landkreis für sich reklamieren. "Trump-Effekt" nennt die Kreisvorsitzende Antje Wagner aus Grünwald dieses Phänomen. "Viele Menschen, die sich bisher nicht politisch engagiert haben, wollen sich nun einbringen", sagt Wagner und freut sich über einen "starken Neuzugang".

Motivations-Kampagne

"Tritt ein" ist die Mitgliederkampagne der SPD im Landkreis München überschrieben, mit der die Partei "um starke Stimmen für die Sozialdemokratie" werben möchte. Mit einer Aktionswoche wollen die Kreisvorsitzende Bela Bach und ihre Mitstreiter im Unterbezirk sowie in den Ortsvereinen noch im Januar einerseits um neue Mitglieder werben und andererseits auch gegen das Erstarken des Rechtspopulismus eintreten. Landkreisweit werden am Samstag, 21. Januar, Infostände der SPD in allen 29 Kommunen des Landkreises aufgebaut.

Die Bürger haben dort die Möglichkeit, mit Vertretern der Partei ins Gespräch zu kommen und - so der Plan - auch Mitglied zu werden. Dafür wird die Partei mit Plakaten werben. Erreichen wollen Bach und ihre Mitstreiter zudem alle Haushalte des Landkreises mit einer der "Motivationskarten", die wichtiger Bestandteil der Kampagne sind. "Tritt ein für Zusammenhalt" steht dort etwa geschrieben. Oder: "Tritt ein gegen Populismus". Auch in Deutschland, sagt die Kreisvorsitzende Bach, sei eine immer stärker werdende rechtspopulistische Partei entstanden, "die Hetze gegen Menschen wieder salonfähig macht". In "Zeiten wie diesen" brauche es die Sozialdemokraten so dringend wie schon lange nicht mehr.

Daher wirbt die SPD nun im Januar insbesondere auf kommunaler Ebene um neue Unterstützer und Mitglieder. Bela Bach sagt: "Demokratische Parteien sind aber nur so stark wie die Menschen, die sie vor Ort mit Leben füllen." Dazu gehöre das Engagement im Gemeindeleben, aber eben auch in Parteien und bei politischen Veranstaltungen, wo um Ideen und Lösungen gerungen werden kann. müh

Der Sieg Trumps bei der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten sowie das Erstarken der Rechtspopulisten in Europa hätten bei vielen Bürgern das dringende Bedürfnis zu Tage gefördert, sich Populismus und Extremismus entgegenzustellen, sagt Wagner. "Das ist ein sehr gutes Zeichen für die Demokratie", findet die Chefin der Kreis-Grünen.

In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies für die Partei einen Zuwachs von etwa 380 auf mehr als 400 Mitglieder zum Jahresende. Der stärkste Ortsverband, konnte unlängst die dortige Vorsitzende Claudia Köhler verkünden, sei dabei mit weitem Abstand vor allen anderen weiterhin jener in der Gemeinde Unterhaching. Das übrigens haben die Grünen mit der SPD gemeinsam - auch die Roten sind in Unterhaching stark wie in keiner anderen Kommune des Landkreises.

Die CSU sieht sich "stabil auf hohem Niveau"

Die bestimmende Kraft im Landkreis München in punkto Mitgliederstärke ist und bleibt aber weiterhin die CSU. Gleichwohl der Kreisverband des Vorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Florian Hahn einen leichten Mitgliederschwund zu verzeichnen hatte. Etwas mehr als 3100 Bürger des Landkreises engagieren sich derzeit in der CSU, das sind etwa 70 Mitglieder weniger als noch zu Beginn des Jahres 2016.

"Stabil auf hohem Niveau", sagt der Putzbrunner Hahn und verweist auf die positiven Aspekte der Entwicklung: "Wir haben mehr Eintritte als Austritte zu verzeichnen. Im vergangenen Jahr sind mehr als 100 Bürger in unseren Kreisverband eingetreten. Das freut uns."

Von einem sogenannten Trump-Effekt will Hahn freilich nichts wissen. Vielmehr, sagt der Abgeordnete, wüssten die Menschen, dass die CSU auf "dem richtigen Kurs" liege. "Man merkt das bei Veranstaltungen. Die Menschen kommen zu uns, weil sie die Linie der CSU teilen", sagt Hahn. "Sie wissen aber auch, was noch alles vor uns liegt. Deshalb ist bei uns im Kreisverband auch niemand zu euphorisch."

Dagegen spricht - unabhängig von der bevorstehenden Bundes- und Landtagswahl - freilich eine Entwicklung, die beide großen Volksparteien teilen. CSU und SPD leiden an einer beständigen Überalterung.

Die AfD tritt meist nur in Umfragen in Erscheinung

Die etwa verhinderte bei den Christsozialen einen tatsächlichen Mitgliederzuwachs: Der CSU gelang es im Jahr 2016 nicht, die verstorbenen Mitglieder durch Neueintritte wett zu machen. Auf Landesebene verloren SPD und CSU 2016 jeweils um die 1000 Mitglieder - die Genossen sind derzeit noch um die 58 000 Mitglieder stark; der allein regierenden CSU gehören noch etwa 143 000 Menschen an. Tendenz weiter sinkend.

Dass die Parteien im Landkreis leicht hinzu gewinnen oder ihr Niveau einigermaßen halten können, liegt auch an der Prosperität und Dynamik der Region. Bei einem prognostizierten Bevölkerungswachstum von derzeit etwa 347 000 Menschen im Landkreis auf nahezu 400 000 im Jahr 2035 ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass auch immer mehr bereits registrierte Parteimitglieder hierher ziehen werden. "Allerdings ist die Fluktuation so hoch, dass auch immer wieder Mitglieder wegziehen", sagt Angelika Stöger von der SPD-Kreisgeschäftsstelle.

Überschaubar sind diese Bewegungen indes bei der großen Unbekannten im Landkreis: der AfD. Die hat eigenen Angaben zufolge momentan 120 Mitglieder im Kreisverband. Ohnehin tritt die Partei meist nur in Umfragen in Erscheinung. Das allerdings auch in Bayern mit zunehmendem Erfolg. Das ist eine Gefahr - auch für Kohnens SPD, der die Rechtspopulisten immer näher kommen.

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