Kommunalwahl im Landkreis München:Neu denken

Annette Ganssmüller-Maluche will für die SPD den Chefsessel im Landratsamt gewinnen. Dafür gab sie ihr bisheriges Berufsleben auf - und scheut auch provokante Thesen nicht.

Von Inga Rahmsdorf

Haar, BH, Annette Ganssmüller-Maluche wird Landrats-Kandidatin der SPD,

Annette Ganssmüller-Maluche ist Landrats-Kandidatin der SPD im Landkreis München.

(Foto: Angelika Bardehle)

Es ist ein ungewöhnlicher Ort für einen Wahlkampf. Annette Ganssmüller-Maluche fährt in Linienbussen, verteilt dort Lebkuchenherzen und unterhält sich mit den Fahrgästen. Die 52-jährige SPD-Politikerin tourt seit Wochen mit dem öffentlichen Nahverkehr durch die 29 Gemeinden des Landkreises München - nicht nur, um mit den Wählern ins Gespräch zu kommen, sondern auch, weil sie fordert, dass man künftig kostenlos kreuz und quer mit allen 44 Buslinien durch den Landkreis fahren sollte.

Annette Ganssmüller-Maluche will Landrätin werden. Ihre Parteikollegin, die derzeit noch amtierende Landrätin Johanna Rumschöttel, darf aus Altersgründen nicht erneut antreten. Die Idee mit den kostenlosen Busfahrten, die Ganssmüller-Maluche gleich zu Beginn ihres Wahlkampfes auf die Agenda hob, soll wohl auch deutlich machen: Die Kandidatin will zwar die Politik von Rumschöttel fortsetzen, aber mit eigenen Akzenten. Für ihren Vorschlag "Busfahren zum Nulltarif" musste sie allerdings schon eine Menge Kritik einstecken. Das sei nicht mehr als ein unrealistischer Wahlkampf-Gag, konterten sogleich die Kandidaten der anderen Parteien.

Von ihrer Forderung ist Ganssmüller-Maluche deshalb nicht abgerückt. Sie engagiert sich seit mehr als 20 Jahren in der Kommunalpolitik und weiß, dass man manchmal hartnäckig sein muss, um Ziele durchzusetzen. Für kostenlosen öffentlichen Nahverkehr seien schließlich keine Investitionen notwendig, argumentiert sie. "Ja, es ist ein ambitioniertes Projekt, aber weniger Verkehr und weniger Lärm, das wünscht sich schließlich jeder im Landkreis", sagt sie. Finanzieren will sie die Busfahrten durch eine Erhöhung der Kreisumlage um zwei Prozentpunkte. "Und selbst wenn wir merken, es überfordert uns, könnten wir es schließlich wieder ändern", sagt die SPD-Politikerin. Sie wolle "neu denken und auch mal etwas Neues ausprobieren".

Nominiert wurde die Ismaningerin im Oktober vergangenen Jahres. Und gleich zu Beginn hat sie eine Menge Gegenwind zu spüren bekommen - als Verlegenheitskandidatin wurde sie verhöhnt. Dabei machten es ihr nicht nur die anderen Parteien und der späte Nominierungstermin schwer, sondern wohl auch die Medien. 25 Jahre lang war Ganssmüller-Maluche gleichzeitig Journalistin und Kommunalpolitikerin - eine Kombination, die eigentlich nicht gut zusammenpasst. Das sagt sie heute selbst. Als ihre Landratskandidatur dann feststand, verabschiedete sie sich zwar sofort von ihrem Job beim Münchner Merkur, doch es braucht wohl Zeit, bis alle Seiten diese klare Positionierung wirklich akzeptieren und ihr mit einem unvoreingenommenen Blick begegnen.

Dass ihr erster Auftritt als Kandidatin kein besonders gut gelungener Start war, das gibt Ganssmüller-Maluche selbst zu. Darauf angesprochen, sagt sie etwas, das man nicht oft von Politikern hört, die im Rampenlicht stehen. Bei ihrer Antrittsrede sei es nicht gut gelaufen, da sei sie nervös gewesen. Seitdem habe sie aber viel dazu gelernt und sei souveräner geworden. Eigene Fehler einzugestehen und sich zu korrigieren, das müssen keine schlechten Eigenschaften im Politikbetrieb sein. Ganssmüller-Maluche verkörpert damit einen anderen Führungsstil als jene, die sich hinstellen und resistent gegen jede Kritik selbstverliebt auf die Brust klopfen. Auf Augenhöhe will sie den Menschen begegnen - "nicht von oben herab" - und die Landkreisbürger in Entscheidungsprozesse einbeziehen. "Dadurch unterscheide ich mich auch deutlich von meinem Kontrahenten von der CSU", sagt sie. "Mein Einsatzgebiet ist der Landkreis und die Gemeinden."

Ganssmüller-Maluche musste aber auch lernen, dass man als öffentliche Person schnell missverstanden wird, wenn man sich nicht klar ausdrückt. Und dass es manchmal leichter ist, von der journalistischen Seite harsche Kritik zu üben, als auf der anderen Seite zu stehen. Dabei kennt sie den kommunalpolitischen Alltag gut, schließlich ist es bereits ihr fünfter Kommunalwahlkampf. Seit 25 Jahren ist sie in der SPD, seit 1993 sitzt sie im Ismaninger Gemeinderat und seit 1996 auch im Kreistag, wo sie seit elf Jahren Finanzreferentin ist: "Mit der Erfahrung fühle ich mich gut gerüstet."

Ganssmüller-Maluche ist nicht nur die einzige Frau unter den fünf Kandidaten für das Amt des Landrats, sondern auch die einzige Vertreterin aus dem nördlichen Landkreis. Die Kandidaten von CSU, FDP, Grüne und Freie Wählern kommen allesamt aus südlichen Gemeinden. Ganssmüller-Maluche lebt seit fast 35 Jahren mit ihrem Mann in Ismaning. Geboren ist sie am Rhein, aufgewachsen vor allem in Aschaffenburg, mit 18 Jahren ist sie nach Ismaning gezogen.

In München hat sie Betriebswirtschaft studiert, bis ihre drei Kinder geboren wurden, die mittlerweile erwachsen sind. Im Wahlkampf bleibt ihr zwar gerade nicht viel Zeit, aber sonst ist sie begeisterte Kartenspielerin. Mit Freunden hat sie eine Doppelkopfrunde, geht zu Schafkopfrennen und spielt im Skatclub Garching.

Wichtig sind ihr die Themen Energiewende, Bürgerbeteiligung und die Unterstützung für Senioren, auch für Kinder und Jugendliche will sie sich stärker einsetzen. Man müsse mehr nachfragen, was junge Menschen sich wünschen. Ziel sei es auch, qualifizierte Erziehern zu gewinnen. Als Landrätin will sie mit einem regelmäßigen Wirtschaftsforum und einem eigenen Wirtschaftsbeauftragten den Kontakt zu den Firmen halten und den Standort weiterentwickeln. Wichtig sei ihr dabei auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es gehe darum, den Druck herauszunehmen, damit Kinder und Beruf nicht zur Zerreißprobe werden. Dabei sieht sie auch die Unternehmen mehr in der Pflicht. Weitere Ziele sind, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, indem der Landkreis Genossenschaften unterstützt und außerdem 1000 geförderte Wohnungen bis zum Jahr 2020 errichtet.

Und falls es nicht klappen sollte mit der Wahl zur Landrätin? Auch dann will sie nicht zurück in ihren alten Job als Journalistin. Dann müsse was Neues kommen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: