Kommentar:So ein Kreuz mit dem Grant

Es liegt im bayerischen Naturell, dass die hiesigen Ureinwohner nur selten mit irgendetwas richtig zufrieden sind - doch Volkes Zorn nimmt langsam ungute Züge an

Von Martin Mühlfenzl

Oh mei. Ein Satz wie ein Gemälde der bayerischen Seele. Dieser Schwermut, dieser Fatalismus, dieses Stoische im Wesen. Was auch immer auf der Welt oder vor der eigenen Gartentür passiert, die hiesigen Aborigines sind Meister darin, Unliebsames nicht einmal mit einem Achselzucken zu würdigen. Oh mei. Wurscht. Was soll's? Wäre da nicht dieser unendliche Grant, der dem bayerischen Gemüt gleichermaßen innewohnt und den sich auch Zugezogene in Rekordzeit zu eigen machen können. Leck' mich doch am Arsch, wird dann zur Devise des Verärgerten. Beispiele gibt es unzählige. Das Seehofer'sche "Quatschi, Quatschi", mit dem er parteiinterne Kritiker bedachte, gehört noch zu den lustigeren Ausbrüchen des missgelaunten bayerischen Naturells, beschreibt aber gut dessen Wankelmut. Oft genügen ja Kleinigkeiten, um den Alpenvorländer auf die Palme - oder besser gesagt: die Birke - zu bringen. An der idyllischen Hans-Kreß-Straße in Ottobrunn schützen seit geraumer Zeit 20 Poller ein paar noch sehr zarte Bäumchen am Wegesrand. Dieser gelebte Naturschutz wäre ja rundherum lobenswert, würden die greisligen Stempen nicht gleichzeitig dringend benötigte Parkplätze vernichten. So sehen es zumindest einige Anwohner, die stante pede derart auf die Barrikaden gingen, als hätte das Rathaus ihnen Warmwasser und Strom auf alle Ewigkeit abgestellt und die Müllabfuhr angewiesen, die Seitenstraße künftig zu meiden. Dass es auch Anwohner gibt, die sich über die Verkehrsberuhigung freuen, ging im Aufschrei der Empörten ein wenig unter. Vielleicht haben sie sich auch nur gedacht: Oh mei, wurscht. Lass ma's plärrn! Mit Volkes Zorn ist es ja ohnehin so eine Sache. Vor allem dann, wenn ein paar wenige meinen, sie würden für die Mehrheit sprechen. Bei der Vereinigung "Wir in Pullach" lässt ja schon der gewählte Name vermuten, da glaubten ein paar Gemeinderäte, sie alleine wüssten, was gut für das Isartalidyll ist. Und was die WIP-ler als nicht so gut für die Gemeinde befinden, darf dementsprechend auch nicht sein - wie die 22 gemeindeeigenen Wohnungen an der Heilmannstraße, die "die anderen" errichten wollen. Die Wählervereinigung kämpft seit geraumer Zeit mit derartig grantiger Inbrunst gegen den vergünstigten Wohnungsbau, dass mittlerweile gar Freundschaften unter Gemeinderäten "auf Eis" gelegt worden sind. Schlimmer noch: Das unsinnige, verantwortungslose Anrennen der WIP schadet dem Ruf der Gemeinde und wird in einem unnötigen Bürgerentscheid am 25. Februar gipfeln, der massive Gräben durch den gesamten Ort zu reißen droht. Manchmal muss der Ärger raus über das, was einem da vor der eigenen Haustür nicht gefällt. Wer sich aber in seinem Grant verliert, wird nichts gewinnen. Wem die Gelassenheit abhanden kommt, wer nicht erkennt, dass ein Kampf auch mal endet, wird irgendwann kein Gehör mehr finden - und zu hören bekommen: Oh mei, nur Gequatsche!

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