Kommentar:Mauern einreißen

Die Herausforderung in den Kommunen, geeignete Unterkünfte für Asylsuchende zu finden, ist groß. Nicht nur der Platz ist mancherorts beengt, vielmehr sind es mehr und mehr die Bürger, die aus diffusen Ängsten heraus versuchen, Häuser für Flüchtlinge in ihrer Nachbarschaft zu verhindern

Von Martin Mühlfenzl

Zigtausende harren dieser Tage an den Grenzen der Balkanroute bis vor die Tore Bayerns aus, um die Bundesrepublik zu erreichen. Sie stehen im Regen, sitzen im Schlamm, frieren, hungern. Und sie hoffen. Auf ein neues Leben im Landkreis München etwa, einen Job in Unterschleißheim oder eine Wohnung in Ottobrunn. Kommunen, deren Namen sie noch nicht kennen - deren Bewohner sich aber oftmals vor ihren Gesichtern ängstigen.

Zigtausende. Nicht alle werden hier bleiben können - nicht alle werden hier eine Heimat finden. Doch es werden mehr Menschen sein, als bisher angenommen. Das besagen die neuesten Prognosen. Damit einher geht eine Vorhersage, die jene Menschen betrifft, die bereits hier im Warmen, geschützt vor Schlamm und Regen leben: Ihr Widerstand wird wachsen - gegen mehr Menschen in diesem Land und insbesondere vor der eigenen Haustür. Viele Bürger der Ottobrunner Hochackerstraße stützen mit ihrer offen zur Schau getragenen Ablehnung einer Unterkunft in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft diese Vorhersage. Ihre Ängste und noch vielmehr ihre Wut gründen sich nicht auf jenen Bildern, die von den innereuropäischen Grenzen gesendet werden - sie sind Resultat einer Art inneren Migration hinter den eigenen Gartenzaun. Und dort haben sie Mauern in den Köpfen errichtet.

Bis zu 570 Menschen wird Ottobrunn im nächsten Jahr aufnehmen müssen - eine Herausforderung fürwahr, aber keine unlösbare Aufgabe. Dabei dürfen sich die Bürger, die Gemeinderäte und ihr Bürgermeister Thomas Loderer von der baulichen Enge ihrer Kommune nicht einengen lassen. Vielmehr ist es richtig, jene, die mit großen Hoffnungen und getrieben von nicht minder schwerwiegenden Ängsten hierherkommen, in der Mitte der Gesellschaft aufzunehmen. Und wer einmal den Namen des anderen kennt, wird ihn nicht mehr fürchten.

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