Kommentar:Lehrstück in Demokratie

Eltern empfinden die Vergabe von Betreuungsplätzen ungerecht und intransparent, sie schließen sich zusammen und arbeiten neue Regeln aus, die der Gemeinderat akzeptiert. Die Höhenkirchner und Siegertsbrunner machen vor, wie Demokratie funktionieren kann

Von Bernhard Lohr

Politik wird in den Kommunen greifbar. Was in Rathäusern entschieden wird, betrifft viele Menschen direkt. Es bestimmt die Lebensverhältnisse am Ort und wirkt oft bis in die Familien hinein. Das zeigt sich besonders bei der Kinderbetreuung. Schnell kann sich eine Protestwelle in einem Ort erheben, wenn es an Betreuungsplätzen fehlt, wenn Eltern sich bei der Vergabe ungerecht behandelt fühlen oder wenn Gebühren als zu hoch erscheinen. Höhenkirchen-Siegertsbrunn hat solche Elternproteste erlebt. Diese haben in der Gemeinde einiges bewegt. Es ist ein Lehrstück in gelebter Demokratie.

Es gründete sich ein Arbeitskreis, in dem Bürger sich einbrachten und Kriterien erarbeiteten, wie eine gerechte und transparente Vergabe der knappen Betreuungsplätze gewährleistet werden kann. Jeder konnte mitmachen und seine Ideen einbringen. Die wurden dann der Gemeinde vorgelegt und nun im Hauptausschuss des Gemeinderats diskutiert. Es sieht danach aus, dass das ausdifferenzierte Konzept gegen den Willen der Bürgermeisterin übernommen wird und in Zukunft die Grundlage für die Platzvergabe bilden wird. Damit haben Bürger direkt Einfluss auf die Verhältnisse genommen. Sie vermochten mit ihrem Kriterienkatalog zu überzeugen, der die unterschiedlichen Lebensverhältnisse berücksichtigt, unter denen Kinder aufwachsen. Das ist zu begrüßen. Alle über einen Kamm zu scheren, ist selten gerecht. Die Alleinerziehende braucht besondere Unterstützung. Ein Betreuungsplatz ist für sie von existenzieller Bedeutung.

Eine differenzierte Betrachtung verdient aber auch die Rolle der Gemeinde. Ja, sie prägt die Lebensverhältnisse am Ort. Aber sie ist deshalb nicht für alles verantwortlich zu machen. Es gibt finanzielle Zwänge, die den Spielraum begrenzen. Vor allem aber kann eine Bürgermeisterin nur bedingt etwas gegen die Personalmisere machen, die den gesellschaftlich geforderten schnellen Ausbau von Betreuungsplätzen bremst. Der Zorn vieler Eltern trifft sie dennoch.

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