Veteranenvereine:Frauen als Retter in der Not

Veteranenvereine: Weil den Veteranenvereinen die Mitglieder wegsterben, wollen sie künftig auch Frauen aufnehmen.

Weil den Veteranenvereinen die Mitglieder wegsterben, wollen sie künftig auch Frauen aufnehmen.

(Foto: Christian Endt)

Wenn Veteranenvereine künftig Frauen aufnehmen, ist das überfällig und richtig. Wenn das jedoch nur geschieht, um eine Auflösung der Vereine zu verhindern, ist es armselig.

Kommentar von Michael Morosow

Man stelle sich nur einmal vor, ein Mitglied eines Krieger- und Soldatenvereins hätte vor 20 Jahren zu einer Öffnung der Kameradschaften auch für Frauen geraten. Es hätte rumort unter den Standarten. Tempora mutantur. Am Dienstagabend legte der erste Mann des Bayerischen Soldatenbundes den Vorsitzenden der Soldatenvereine aus dem Landkreis München nahe, sich nicht weiter gegen die Aufnahme von Frauen zu wehren. Und die Zuhörer schrien nicht Zeter und Mordio ob des angeratenen Tabubruchs, sondern signalisierten im Gegenteil Zustimmung.

Frauen könnten eine andere Perspektive einbringen

Es ließe sich jetzt zu einer Hymne auf endlich in der Moderne angekommene Soldatenkameradschaften anstimmen, wenn der Grund für dieses Umdenken nicht so profan wäre. Die Öffnung für Frauen, so sie in die Tat umgesetzt wird, ist der Not geschuldet. Viele Veteranen- und Kriegervereine stehen vor dem Aus, weil es gut 71 Jahre nach der Kapitulation kaum noch lebende Kriegsteilnehmer gibt und auch die Reservistenkameradschaften seit dem Aussetzen der Wehrpflicht 2011 lichter werden. Jetzt also sollen die Frauen das Fortbestehen jener Kameradschaften sichern, die ihnen 150 Jahre und länger die kalte Schulter gezeigt haben.

Die ebenso lange vorherrschende Überzeugung, dass die Erinnerung an Kriegsopfer und die Mahnung zum Frieden das Privileg von Kriegsteilnehmern und gedienten Soldaten sei, war und ist falsch. Dass die Männer sich bis heute als alleinige Vorhut einer mahnenden Distanz sehen, entbehrt jeglicher Grundlage. So kennt die Jugend vor allem die Schilderungen von der Not und dem Leiden ihrer Großväter in Schützengräben und Gefangenschaft. Man muss aber nicht zwingend im Krieg gewesen oder als Bundeswehrsoldat gedient haben, um vor der Verwerflichkeit von blutigen Gemetzeln warnen zu dürfen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Deutschland etwa eine Million Kriegerwitwen. Sie alle hätten an Volkstrauertagen und bei anderen offiziellen Veranstaltungen der Krieger- und Veteranenvereine eindringlich vor altem, gefährlichen Gedankengut warnen können. Vor allem hätten sie das Grauen von einer anderen Seite beleuchten können, von der Seite von Müttern, die sich alleine mit ihren Kindern im zerbombten Nachkriegsdeutschland durchschlagen mussten. Ihnen, wenn auch überaus spät eine Stimme geben zu wollen, wäre ein zu goutierendes Motiv für eine Öffnung der Männerdomäne gewesen. Die pure Angst vor einer Vereinsauflösung ist das nicht.

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