Kommentar:Es muss nicht das Gymnasium sein

Die aktuellen Übertrittszahlen belegen es erneut: Das Gymnasium ist im Landkreis München längst, was früher einmal die Volksschule war. Dieser Trend nutzt keinem

Von Lars Brunckhorst

Die Volksschule hieß mal so, weil die große Masse des Volkes ihre Kinder zum Lernen dorthin schickte, damit sie das nötige Rüstzeug für die Lehre und den späteren Beruf erhielten. Von der Volksschule übrig ist heute fast überall nur noch die Grundschule, wo die Kinder bis zur vierten Klasse so weit Schreiben, Lesen und Rechnen gelernt haben müssen, dass ihre Eltern und Lehrer eine Entscheidung über den weiteren Lern- und Lebensweg treffen können. Die Hauptschule dagegen heißt heute Mittelschule, und an diese will man als Eltern sein Kind unter keinen Umständen schicken. Die heutige Volksschule ist dagegen das Gymnasium. Das bestätigen einmal mehr die aktuellen Anmeldezahlen aus den Gymnasien im Landkreis.

Der Trend auf die höchste weiterführende Schule ist ungebrochen. Sechs von zehn Grundschülern gehen im Landkreis nach der vierten Klasse aufs Gymnasium - das ist Bayern-Rekord. Jeder fünfte auf die Realschule. Die übrigen auf die Mittelschule. Das hat seine Gründe. Und die liegen weder darin, dass der Nachwuchs immer schlauer wird oder der Lehrplan fürs Gymnasium immer einfacher. Es hat zunächst damit zu tun, dass das Gymnasium meist die nächste Schule ist. In den 29 Kommunen des Landkreises München gibt es sage und schreibe 17 Gymnasien und schon bald werden es sogar 19 sein. Vor allem aber hat die hohe Übertrittsquote damit zu tun, dass Eltern für ihre Kinder den bestmöglichen Schulabschluss wünschen.

Angesichts wachsender Konkurrenz durch Globalisierung, immer schnellerer technischer Entwicklung und unsicherer Berufsaussichten ist das zunächst verständlich. Es führt aber auch dazu, dass jedes Jahr Kinder auf und durch höhere Schulen geboxt werden, die an diesen überfordert sind. Und es führt dazu, dass die knapp 20 Prozent, die es nicht aufs Gymnasium oder wenigstens an die Realschule "schaffen", sich schon im Alter von zehn Jahren als Verlierer fühlen. Solange der Ruf der Mittelschulen nicht besser wird und sich nicht in den Köpfen von Eltern durchsetzt, dass der Weg auch mit Quali, M-Zug und Fachabitur an die Uni führen kann, wird das Gymnasium die Volksschule bleiben.

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